Codename Khiana – Aufstieg des Scheichs

1.

»Dennis?«
Yvonne betrat den Fitnessraum der Base und hoffte, ihren Freund und Kollegen hier zu finden. Sie hatten sich bereits vor zehn Minuten vor der Base treffen wollen, um gemeinsam auf dem Schießplatz zu trainieren. Aber abgesehen von Wesley und Steve hatte sie niemanden gesehen. Beide hatten ihr auch nicht sagen können, wo Dennis sich aufhielt. Ihre Suche hatte sie von der Küche zu Dennis Stube geführt, war allerdings bisher erfolglos geblieben. Der Keller war gefühlt der letzte Ort, an dem sie ihn finden konnte. Hier lagerte die Ausrüstung aller Teammitglieder, außerdem gab es einen großen Fitnessbereich und einen Gemeinschaftsraum mit Bar, Billardtisch, Dartscheibe, TV und Sitzgelegenheiten.
Sie hatte ihre Tochter extra der Freundin eines Kollegen anvertraut, um einige Stunden mit Dennis zu trainieren. Nicht nur, weil er sie gefragt hatte, sondern auch, weil sie das Gefühl hatte, eingerostet zu sein. Aber weder bei den Käfigen, wo die Ausrüstung lagerte, noch im Aufenthaltsraum war er zu finden. Es war nicht einmal jemand da, den sie hätte fragen können.
»Herr Falk.« Sie seufzte, zog ihr Handy hervor und wählte Dennis Nummer. Als sie das Besetztzeichen hörte, rollte sie genervt mit den Augen. »Das kann doch nicht wahr sein.« Leicht genervt legte sie auf. Das sah Dennis nicht ähnlich. Er war zuverlässig und hätte sich gemeldet, wenn ihm etwas dazwischengekommen wäre. Entschlossen machte sie sich auf den Weg zurück ins Erdgeschoss. Sie würde bei denen um Rat fragen, die gerade in der Base arbeiteten. Vielleicht konnte ihr jemand sagen, wo Dennis sich aufhielt oder ob Teile des Teams irgendwohin aufgebrochen waren. Auf dem Flur herrschte wie gefühlt im gesamten Gebäude Stille. Sie klopfte bei den Agenten Liv, Rafael und Joyce an die Tür und wurde von Letzterer hereingebeten.
»Hey, wie geht es dir? Lange nicht gesehen.« Joyce stand auf und umarmte sie herzlich. Allerdings spürte Yvonne eine gewisse Distanz, die von Joyce ausging. Yvonne entdeckte die verwaisten Arbeitsplätze von Liv und Rafael.
»Lange ist übertrieben.« Es war einige Tage her, dass sie Joyce das letzte Mal getroffen hatte. Es war außerhalb der Base gewesen und sie hatten nur wenig miteinander gesprochen, da sich nicht die Gelegenheit geboten hatte. Aber schon dort war Yvonne das Gefühl nicht losgeworden, dass Joyce etwas mit sich herumtrug, über das sie nicht reden wollte. Was sie so in sich zu vergraben suchte, dass es für immer verschwand.
»Was treibt dich her?« Joyce hatte sich wieder gesetzt und musterte sie nun interessiert.
»Dennis. Ich wollte mit ihm auf die Bahn, aber irgendwie hat er mich versetzt, glaub ich.« Sie setzte eine beleidigte Miene auf.
»Der war vorhin noch an der Kaffeemaschine.« Joyce sah sie verdutzt an.
»Gerade eben nicht mehr. In seinem Zimmer ebenfalls nicht und unten auch nicht. Das sieht ihm gar nicht ähnlich«, erklärte sie nachdenklich.
»Handy?« Joyces Augenbrauen hoben sich.
»War besetzt.« Sie zuckte mit den Schultern.
»Poison?« Es klopfte bei der Frage an der Tür. Noch bevor jemand ihn hereinbitten konnte, betrat Dennis den Raum.
»Hier bist du. Hey, Joyce.« Dennis grinste sie breit an.
»Ähm ja. Ich hab dich gesucht, und versucht, anzurufen, aber irgendwie …«
»Sorry, ich bin zum Telefonieren raus und wollte da auf dich warten. Aber du hast …«
»Woanders geparkt als sonst. Ich bin halt kein Gewohnheitstier.« Sie zwinkerte Dennis zu, der sich unübersehbar bewusst darüber war, auf was sie anspielte. Er rollte gespielt genervt mit den Augen.
»Lass uns los, nicht, dass uns noch jemand den Platz wegnimmt.« Er deutete auf die Tür.
»Du hast doch nur Angst, dass du das mit dem Gewohnheitstier erklären musst.« Joyce zwinkerte ihr zu.
»Da gibt es nichts zu erzählen.« Er wandte sich bereits ab und wollte gehen.
»Dennis hat, solange wie ich mit ihm zusammengearbeitet habe, immer auf dem gleichen Platz geparkt. Der dritte in der Reihe, unter einer Kastanie. Sogar als die Tauben ihm über Wochen jeden Tag den Wagen so zugekackt haben, dass er erst mit einem Wassereimer losmusste, ehe er nach Hause konnte.« Yvonne sah kurz zu Dennis, der ein Schnauben ausstieß.
»Und wenn mal wer anders als Erstes da war?«
»Nein.« Dennis schüttelte energisch den Kopf, um ihr das Weitersprechen und das Beantworten von Joyce Frage zu verbieten. Den Kopf leicht nach rechts legend, beugte sie sich zu Joyce, die ihr erwartungsvoll entgegensah.
»Erzähle ich dir wann anders.« Sie richtete sich wieder auf und ging auf Dennis zu. »Dann aber los jetzt, mein Babysitter hat nicht den ganzen Tag Zeit.« Sie deutete in Richtung Keller. Denn im Käfig von Dennis hatte sie sein McMillan gesehen und auch ihre RemingtonMSR stand noch hinter den Gittern. Erst nach einigen Metern auf dem Flur wandte sich Dennis kurz zu ihr um: »Wirst du das je vergessen?«
»Nein.« Grinsend ging sie an ihm vorbei und sah sich wieder an einem Moment, der viele Jahre zurücklag. Damals war ihr Dennis Tick mit dem Parkplatz zum ersten Mal aufgefallen. An dem Tag hatte ein roter Audi auf dem Platz gestanden, auf dem er immer parkte. Er hatte Kollegen gefragt, zu wem der A4 gehörte und war schließlich an den PC gegangen, um den Halter zu ermitteln. Allerdings war direkt klar geworden, dass der Herr Anfang fünfzig weder auf der Wache arbeitete, auf der sie waren, noch dass ihn jemand kannte.
Gemeinsam kamen sie im Keller an und sie beobachtete Dennis, wie er seinen Käfig aufschloss und sein Gewehr griff.
»Warum gehst du zum Telefonieren raus?« Sie hielt den Schlüssel des Schlosses für ihren Käfig noch in der Hand, als sie Dennis ansprach.
»Ich kann besser denken, wenn ich beim Telefonieren rumlaufen kann und …«
»Das fällt draußen weniger auf?« Sie öffnete, seinen Satz beendend, das Schloss.
»Das hab ich mir bei einer Kollegin abgeschaut.«
Sie konnte hören, wie er sein Vorhängeschloss bereits wieder verriegelte. Yvonne warf einen Blick über die Schulter. Verschmitzt grinsend stand er mit dem Scharfschützengewehr zwischen der Käfigreihe nur wenige Meter von ihr entfernt.
»Was du nicht sagst. Wie war denn dein Gespräch?« Yvonne drehte sich nicht zu Dennis um. Sie befürchtete, dann sofort zu wissen, mit wem er gesprochen hatte. Von ihm ging eine gewisse Erregung und Freude aus, aber auch der Wunsch, diese Emotionen zu verbergen. Yvonne vermutete, eine Frau könne diese Gefühle auslösen.
»Aufschlussreich. Können wir?« Dennis ließ sie spüren, dass er nicht über den Inhalt des Gesprächs reden wollte. Er wollte nun die Zeit aufholen, die er vertrödelt hatte.
Yvonne drehte sich zu ihrem Kollegen um, den sie länger kannte als alle anderen Mitglieder des Teams. Schritte, die über die Treppe zu ihnen kamen, verhinderten, dass sie Dennis in die Augen sehen konnte, denn er warf einen Blick über die Schulter.
»Falk?«
»Oh, oh.« Dennis geflüsterte Worte ließen sie eine Augenbraue heben und zu ihm schauen, nachdem auch sie Seans Stimme vernommen hatte. Der Captain des Alpha-Teams klang zum einen alles andere als begeistert, zum anderen schon beim Aussprechen der wenigen Buchstaben abgehetzt. Dann tauchte der knapp zwei Meter große Mann auf und funkelte Dennis an, ohne sie auch nur anzuschauen.
»Hi, Sean.« Yvonne hatte ihren Käfig geschlossen, als Sean fast neben ihr stehenblieb. Allerdings tat er so, als wäre sie nicht da. Außerdem bemerkte sie, dass er sauer war. Seine Halsschlagader stand hervor und die Art, wie er sein rechtes Auge zu einem Schlitz zusammen kniff, benötigte keine Worte mehr. Das war der Moment, in dem man in Deckung gehen sollte.
»Warum?« Wütend starrte Sean Dennis an. Irritiert sah Yvonne nun zu Dennis, in der Hoffnung, dass er gleich eine Antwort für diesen spontanen Ausbruch geben würde.
»Was?«
Yvonne zog eine Grimasse. Was war das Letzte, was man Sean fragen sollte, wenn er so vor einem stand.
»Nicht Was. Warum zum Teufel hast du Kontakt zu der? Wir könnten sonst wen bekommen und nun das«, ranzte Sean Dennis an.
»Ich kann doch nichts dafür, wenn irgendwer entscheidet, dass sie kommen soll.«
Yvonne biss sich auf die Zunge, um nichts zu sagen. Sie ahnte, um wen es ging. Nicht unbedingt, weil Dennis ruhig blieb, sondern mehr, weil Sean kurz davor war, aus der Haut zu fahren.
»Sie ist ganz nett.« Dennis schulterte sein Gewehr und ging an Sean vorbei. Ein Fauxpas, den Yvonne sich in ihrer ersten Zeit im Team nicht hätte erlauben dürfen.
»Nur weil du denkst, dass sie nett ist, muss sie das nicht sein. Ich will hier keinen von der CIA haben, der hier rumschnüffelt!«, schnauzte Sean.
Entgegen ihrer Erwartung folgte Sean Dennis nicht. Er hatte sich nur umgedreht. Es war ein interessanter Anblick, den erfahrenen Captain zu sehen, wie er dem Polizisten nachsah, der unbeeindruckt von dem kommenden Ausbruch weiterging.
»Sie ist auch nicht keiner, sondern keine und ich denke, du täuschst dich in ihr.« Dennis hatte die Treppe erreicht. Yvonne war schwer beeindruckt von der Ruhe, mit der er gerade handelte. Noch vor einigen Monaten hätte er anders reagiert.
»Falk!« Sean brüllte Dennis nach, der die Stufen hinaufging, als wäre nichts passiert. »Ich fasse es nicht.« Sean strich sich entgeistert durch die Haare und Yvonne stellte sich in diesem Moment im Stillen die Frage, ob Dennis gewaltigen Ärger bekommen würde. Sean so stehen zu lassen, konnte viele Extrarunden auf dem Parcours zu Folge haben.
»Was ist eigentlich los?« Sie schulterte ihr Gewehr. Obwohl sie eine Antwort auf die Frage wollte, wollte sie nicht unnötig viel Zeit hier verbringen. Sean atmete geräuschvoll aus, wandte sich ihr dann aber doch zu.
»Er musste doch vor zwei Wochen die Thornton nach Langley bringen. Ich hab keine Ahnung, was da gelaufen ist, auf alle Fälle lässt sie sich nun hierher versetzen.«
»Zu uns? Hier ins Team?« Yvonne konnte ihre Verwunderung nicht verbergen. Obwohl sie kaum etwas von der Agentin wusste und sich generell lieber selbst ein Bild von Menschen machte, war der Name Thornton negativ behaftet.
»Ja, also nein. Hier auf dem Stützpunkt bei den anderen CIA-Fuzzis, die in Langley keiner haben will, oder die uns hier das Leben schwer machen.«
»Okay. Und was genau hat Dennis nun verbrochen?« Bei ihrer Frage warf sie einen schnellen Blick auf ihre Uhr. Die Zeit, die sie auf dem Platz haben würde, schwand immer weiter dahin.
»Ich hab ihn erwischt, als er mit ihr telefoniert hat.«
»Ach, und das ist verboten? Sean, hör doch auf.« Yvonne sah ihn tadelnd an. »Du kannst ihm doch nicht sagen, mit wem er sprechen darf und mit wem nicht. Er ist kein kleines Kind und sie nicht der Teufel. Sie ist eine Frau, die gekidnappt und vergewaltigt wurde. Hör auf. Sie kann nichts dafür, wenn du sie nicht leiden kannst.« Sie schüttelte den Kopf und ging an ihm vorbei. Wenn Dennis Kontakt zu ihr pflegte, dann würde es gute Gründe geben. Sean erwiderte nichts auf ihre Worte. Vielleicht, weil sie ihm gerade vor Augen geführt hatte, was Thornton durchgemacht hatte oder weil ihm die Worte fehlten.
Wenige Minuten später kam sie am Ausgang an, wo Dennis wartete und gedankenverloren auf den Parkplatz starrte.
»Thornton also.«
»Rabea.« Dennis sah sie nicht an.
»Okay. Rabea also. Freundschaft oder mehr?« Yvonne versuchte, eine Regung in ihm zu sehen. Dennis war nicht der Typ Mann, der sich Hals über Kopf einer Frau verschreiben würde. Bei Dennis benötigte Liebe normalerweise Zeit, selbst Freundschaften schloss er nicht von jetzt auf gleich. Seine Freunde waren gut ausgesucht und sehr loyale Menschen, weswegen sie seine Menschenkenntnis für extrem ausgeprägt hielt.
»Sie ist nett und nicht so, wie alle denken.«
»Nicht?« Fragend musterte sie ihn von der Seite. Sein Blick glitt in die Ferne, seine rechte Hand lag am Gurt seines Gewehrs und seine blonden Haare waren viel länger als bei seiner Ankunft. Durch seinen dichten Bart wirkte er weitaus älter, als er war.
»Nein. Sie hat zwei Gesichter. Eins für die Arbeit und ein Privates. Und das …« Er richtete seinen Blick auf sie.
»Das hat es dir angetan.« Sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Wann kommt sie her?«
»In zwei Wochen. Ich habe nicht damit gerechnet, dass Sean es jetzt schon weiß. Die haben sie mehr oder weniger in Langley rausgeworfen. Ihr Boss denkt, dass sie an einem Schreibtisch besser aufgehoben ist. Und damit er sie aus den Augen hat, schickt er sie her. Ich glaube, aus eigenen Stücken würde sie wohl nicht kommen.«
»Na ja, du weißt ja, wie das mit ihm ist. Lass uns los, sonst ist meine freie Zeit rum und ich hab nicht einmal die Scheibe getroffen. Über Rabea kannst du mir ja gleich noch was erzählen.«

2.

Milazim starrte auf das Symbol des kleinen weißen Briefumschlags auf dem Bildschirm seines Laptops, das ihm eine eingegangene Mail signalisierte. Er traute sich nicht, sie zu öffnen. Seit Wochen haderte er mit Mails, die diesen Namen im Anhang trugen. Hinter dem Pseudonym verbarg sich ein junger Amerikaner, dem er viel Geld dafür zahlte, dass er ihm täglich Bilder oder kurze Videos seiner geliebten Jennifer schickte. Nadim war Krankenpfleger im Balboa Medial Center, wo Jennifer gepflegt oder, wie er befürchtete, am Leben gehalten wurde.
Jeden Tag aufs Neue zerrissen die Fotos sein Herz und sorgten dafür, dass er sich über Stunden in seinem Büro einschloss und für niemanden zu sprechen war. Er liebte diese Frau. Vom ersten Moment, von der ersten Sekunde an, hatte sie ihn gefangen genommen und er wäre an Liebeskummer gestorben, hätte sie ihm einen Korb gegeben. Nun starb er, weil er ihr nicht helfen, weil er nicht bei ihr sein konnte. Sie hatte ihr komfortables Leben in den Staaten aufgegeben, war damals zu ihm nach Afghanistan gekommen und hatte seither mit ihm ein Leben auf der Flucht geführt. Sie hatte sich ihm angeschlossen, war seine Stütze gewesen, hatte seine Entscheidungen aber auch hinterfragt, weswegen er den ein oder anderen Fehler in seinen Plänen bemerkt hatte. Sie hatte ihn vervollständigt. Dass ihr Bruder ein CIA-Agent gewesen war, war nur nettes Beiwerk gewesen, von dem er zu Beginn ihrer Beziehung nichts gewusst hatte. Er hätte sie auch ohne den Agenten geliebt. Sie nun auf den Bildern zu sehen, an den Maschinen mit all den Schläuchen, setzte ihm zu. Es raubte ihm die gesamte Kraft. Kraft, die er eigentlich für seinen Kampf benötigte. Schwer schluckend öffnete er endlich den Anhang der Mail.
»Was haben sie dir nur angetan?« Flüsternd strich er mit den Fingern über das Foto auf dem Bildschirm. Er wollte ihr so vieles sagen. Dinge, die er ihr noch hätte sagen müssen, ehe sie nach Bagdad aufgebrochen war. Er hätte sie eindringlicher warnen müssen. Die Tränen, die aus seinen Augenwinkeln rannen, nahm er zwar zur Kenntnis, aber er fühlte sich wie gelähmt und unfähig, sie fortzuwischen. Das erste Mal in seinem Leben hatte er nicht die Macht, etwas an dem zu ändern, was er sah. Kein Attentat oder Mord würde etwas daran ändern, dass Jennifer dort tausende Kilometer entfernt lag. Schläuche sorgten dafür, dass sie atmen und überleben konnte. Aber war das, was sie jetzt hatte, überhaupt noch ein Leben?
Nadim schrieb in wenigen Zeilen, dass ihr Zustand unverändert wäre. Nicht mehr, nicht weniger. Irgendwo in den vorherigen Mails hatte er ihm auf seine Anfrage hin mitgeteilt, dass er kaum Chancen für Jennifer sah. Selbst wenn sie irgendwann wieder selbstständig atmen und sogar essen könnte, würde sie ein Vollzeitpflegefall werden. Er hatte geschrieben, dass Polizisten der Navy oder Agenten der CIA rund um die Uhr die Station und das Zimmer bewachten. In dem Augenblick hatte er es als unfassbar lächerlich empfunden. Der Tod würde sie leise und heimlich holen. Da würden auch Cops und Agenten nichts dran ändern. Und was wollte man von ihr? Sie war nur eine Hülle. Ein Haufen, der nur noch aussah wie die Frau, die er geliebt hatte. Und selbst dieses Aussehen hatte sich geändert. Sie war nicht nur einfach blass. Sie war eingefallen, ihre Haare abgeschnitten und ungepflegt. Ein Schatten ihrer selbst.
Ein Klopfen an der Tür ließ ihn schlucken. Er schloss das Bild und strich sich die Tränen aus den Augen, ehe er seinen Besuch hereinbat. Es war immer gleich. Eine Woche hier, eine dort. Immer unterwegs. So könnte er Jennifer nicht das bieten, was sie nun benötigte. Tariq Wahid betrat den Raum. Schon das Einatmen des alten Mannes machte Milazim bewusst, dass man ihm seinen Schmerz ansah. Etwas, das man ihm nie ansehen sollte. Er wollte der sein, der keine Emotionen nach außen trug.
»Du hast dir wieder ein Bild schicken lassen?« Tariq kam kopfschüttelnd und hinkend näher. Er trug eine weite weiße Kurta und einen Turban. Sein Bart wirkte heute gepflegter als gestern, was Milazim schließen ließ, dass er einen Barbier besucht hatte. Das Humpeln seines Weggefährten war nicht zu übersehen und auch die fehlende Hand war etwas, an dessen Anblick er sich hatte gewöhnen müssen. Er hatte gehofft, dass Jennifer vielleicht ebenfalls mit solchen Verletzungen davonkommen würde, was schlimm genug gewesen wäre. Das jetzt war aber weitaus grausamer. Das war kein Leben mehr. Es war ein Albtraum.
»Du musst damit abschließen. Ihr Geist ist nicht mehr da. Sie ist tot. Das ist nur noch …« Tariq atmete schwer aus, als er sich auf den Sessel in der Ecke seines Büros niederließ.
»Fleisch«, murmelte Milazim. Sein Büro hier an der Grenze zu Pakistan war klein, aber er hatte einen Schreibtisch, einen Platz, um Gäste zu empfangen und ein Regal, welches mit unnützen Lexika gefüllt war. Wichtige Dokumente gab es nur auf seinem Laptop, den er überall mit hinnahm. Seinen Laptop verglich er gerne mit dem Koffer des Präsidenten der Vereinigten Staaten. Nur dass er keine Atombombe besaß, sondern tausende Menschen, die für ihn in den Tod gehen würden, und Hunderttausende, die an seiner Seite kämpften oder es gerne wollten. Seine Armee war riesig.
»Du musst dich auf das konzentrieren, was wichtig ist.« Tariq tadelte ihn in letzter Zeit immer öfter. »Willst du sie so gewinnen lassen? Mit der Schlagzeile Meistgesuchter Mann der Welt stirbt an Liebeskummer?«
Milazim ließ sich in seinem alten Lederschreibtischstuhl nach hinten sinken, schloss die Augen und strich sich müde über die Lider, ohne etwas zu erwidern. Er gab dem alten Mann nur ungern Recht, aber das würde auch nicht in Jennifers Willen sein. Er musste weitermachen, ihr zuliebe. Und für sich und die vielen Menschen, die darauf vertrauten, dass er die Amerikaner aus ihrem Land verdrängte und dem Dschihad zu seiner wahren Größe verhalf.
»Also, was treibt dich her?« Er öffnete die Augen wieder und sah Tariq an. Tariq kam nur, wenn er etwas Wichtiges zu sagen hatte, Milazim ihn zu sich bestellt hatte oder er einen Auftrag von ihm erhalten hatte. Letzteres war nicht der Fall, somit musste er bedeutende Informationen bringen.
»Qamar Hakkani, der Führer der Taliban, trifft sich mit Vertretern des Westens, um über einen Abzug aus Afghanistan zu verhandeln.«
Milazim riss erstaunt die Augen auf. Das war eine Entwicklung, mit der er nicht gerechnet hatte. Hatten sie die Nationen und westlichen Länder endlich mürbe gemacht?
Er kannte Qamar und er wusste, wie der Mittfünfziger über die Belagerung des Landes dachte. Denn nichts anderes war es, was in ihren Augen passierte.
»Das klappt doch nie.« Er schüttelte den Kopf. »Das machen sie nicht.«
»Die Amerikaner sind den Krieg leid. Sie wollen ihre Soldaten wieder zuhause haben. In Sicherheit, ohne ständige Anschläge«, erklärte Tariq ihm.
»Du glaubst doch nicht ernsthaft …« Milazim sprach nicht weiter. Das konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen.
»Weiß man es.« Tariq grinste unter seinem Bart. »Außerdem kann man dich mit solchen Neuigkeiten wunderbar ablenken.«
»Also mal angenommen, dass die da wirklich irgendwas verhandeln, und es funktioniert, dass die Amerikaner abziehen …« Milazim lehnte sich nachdenklich zurück, was den Stuhl, auf dem er saß, quietschen ließ.
»Die Taliban haben niemanden, der eine Regierung bilden könnte. Besser gesagt, alle wollen das und jeder auf seinem Weg.« Tariq nickte und spann seinen Gedanken weiter. »Sie werden sich nicht auf Dauer einigen können.«
»Das gibt Chaos …«
»Und Chaos wäre doch genau das, was wir brauchen. Dann schieben wir es ihnen in die Schuhe, die Amerikaner schauen von außen zu und wir …« Tariqs Grinsen wurde immer breiter.
»Das gefällt mir. Wir sollten uns eine Weile bedeckt halten, dann trauen die Amerikaner Hakkani eher über den Weg.«
»So gefällst du mir wieder.«

3.

Yvonne parkte ihren Civic in der Einfahrt zu ihrer Garage. Dank Harper, die länger als abgemacht als Babysitter eingesprungen war, hatte sie noch ausreichend Zeit mit Dennis auf dem Schießplatz verbringen können. Als sie aus dem Wagen stieg, klopfte sie ihre Hose ab, wie sie es schon beim Einsteigen getan hatte. Ein Tick, den sie erst nach der Geburt ihrer Tochter entwickelt hatte, als sie das erste Mal wieder auf der Base gewesen war. Seitdem störte es sie, wenn Sand an ihrer Kleidung haftete. All die Jahre zuvor war es ihr vollkommen egal gewesen, damals hatte man bei ihr im Haus wöchentlich mehr als eine Kehrschaufel Sand finden können. Überall hatte der feine Strandsand gelegen und auch der gröbere, teils mit feinem Kies versetzte vom Schießplatz, hatte an schlimmen Tagen dafür gesorgt, dass jeder Schritt in ihrem Haus von einem Knirschen untermalt worden war. Jetzt ertappte sie sich sogar dabei, dass sie Syrell intensiv musterte, wenn er heimkam, aus Angst, er könne Sand ins Haus tragen.
Sie schloss das Auto ab und machte sich auf den Weg zur Haustür. Unterwegs fiel ihr Blick auf den Garten. Es war immer noch alles grün und es wurde Zeit, mal wieder Unkraut zu zupfen, was sie am liebsten gemeinsam mit Syrell tat, der wiederum in jeder Pflanze etwas Nützliches sah. Wenn er über den Garten herrschen würde, hätten sie beide mehr Freizeit, würden aber eine Machete benötigen, um das grüne Paradies überhaupt betreten zu können. Sie wollte gerade die Haustür aufschließen, als diese von innen geöffnet wurde und Harper ihr entgegensah. Vor ihrer Freundin stand Schoki und begrüßte sie unaufgeregt mit einem Schwanzwedeln.
»Er hat dich gehört.« Harper trat erklärend zur Seite und machte die Tür ganz auf.
»Dachte ich mir.« Yvonne streichelte über das warme weiche Fell ihres Hundes, der ihr Familienleben jeden Tag bereicherte und nun einige Schritte nach hinten tat, um sie in das Haus zu lassen. Er war nicht die Sorte Hund, die springend hinaus stürmte, sobald sich die Gelegenheit bot. »Danke, dass du länger geblieben bist.« Sie sah zu Harper, die die Tür wieder schloss. Ohne ihre Freundin hätte sie nicht mit Dennis auf den Platz gekonnt und erst recht hätte sie dann nicht die zwei Stunden länger bleiben können, die sie nun fort gewesen war. Man hatte ihnen angeboten, länger zu trainieren, da ein anderes Team sich verspätet hatte.
»Kein Problem. Nath kommt heute auch erst spät wieder, hat er geschrieben, er meinte, es wird ein oder zwei Stunden später. Und so kann ich schon ein bisschen üben.« Sie legte ihre Hände auf ihren Bauch, wo sich die Wölbung jeden Tag ein winziges bisschen vergrößerte. Die Zwillinge, die Harper erwartete, würden sicher viel Leben in die kleine Familie und das Team bringen.
»Apropos.« Yvonne sah an Harper vorbei ins Wohnzimmer, konnte aber nur die leere Spieldecke entdecken. Wo war ihre Tochter? Sie hatte damit gerechnet, ein hungriges kleines Mädchen mit knurrendem Magen und schlechter Laune vorzufinden.
»Sie ist satt und liegt oben in ihrem Bett.«
Harper begann in dem Augenblick zu grinsen, als Yvonne bewusst wurde, dass sie ihre Verwunderung gerade mit weit aufgerissenen Augen kundtat. Ihr gelang es nur selten, Nayeli nach ihrem Brei und einer kurzen Spielrunde ins Bett zu legen, um dort ein Schläfchen zu machen. Das war ein Problem, mit dem sie sich seit der Geburt herumplagte. Beim Stillen war sie immer eingeschlafen und kaum lag sie in ihrem Bett und nicht mehr in Yvonnes Armen, war sie aufgewacht und hatte ihren Unmut darüber, alleine zu sein, kundgetan. Dieser Zustand hatte sich auch mit dem Brei noch nicht geändert, den sie seit kurzem bekam, obgleich Yvonne sich genau das erhofft hatte.
»Ja, einfach so.« Harper zwinkerte ihr zu und griff sich ihre Jacke von der Garderobe. »Ich hab auch schon alles abgewaschen.« Mit dem Kopf deutete sie auf die Küchenzeile. Yvonne wollte ihr anbieten, noch eine Weile zu bleiben, aber sie konnte spüren, dass Harper zu ihrem Lebensgefährten wollte.
»Danke.« Sie zog Harper in eine Umarmung.
»Mache ich gerne, aber nur unter der Bedingung, dass du dann auch auf meine beiden aufpasst.« Harper grinste frech, als Yvonne sich bemühte zu lächeln und zu nicken. Zwei Kinder in Nayelis Alter würden ihr jeden Funken Aufmerksamkeit abverlangen, dessen war sie sich sicher. Aber sie würde Harper und Nathan zuliebe auf die Kinder aufpassen, oder, wie ihre Mutter und Großmutter in Deutschland immer gesagt hatten, einhüten.
Yvonne war aufgefallen, wie sehr Harper in den letzten Wochen aufgeblüht war. Sie wurde von Tag zu Tag hübscher und strahlte eine unglaubliche Zufriedenheit aus. Glück schien in ihrer Nähe greifbar zu werden. Dieser Umstand ließ sie manchmal beinahe neidisch werden.
»Das schaffe ich, glaube ich.« Während sie sprach, vernahm sie das Geräusch von Syrells Ford Ranger, der auf die Einfahrt rollte. »Na, da habe ich ja Glück gehabt, dass ich vor ihm da bin. Er hat noch gesagt, ich soll nicht so lange machen.«
»Dann sag ich Nath am besten, dass ich mich bei dir festgequatscht habe. Sonst erzählt er Sy bestimmt, dass du spät gekommen bist.« Harper zwinkerte ihr zu und ging aus der Tür.
Yvonne folgte der blonden Frau auf dem kleinen Weg, der zur Auffahrt führte.
»Ich muss nun wirklich los, sonst gibt Nath noch eine Vermisstenanzeige auf.« Sie hatte sich kurz zu ihr umgedreht und stand nur wenige Schritte von Syrell entfernt. »Hi, Sy, bye, Sy«, kichernd machte sie sich auf den Weg zu ihrem Wagen, der an der Straße parkte und ignorierte Syrells verdattertes Gesicht. Winkend stieg die Schwangere in ihr Auto.
Einen kleinen Augenblick sah Syrell Yvonne skeptisch an, die befürchtete, er hätte Harper durchschaut und wusste bereits, dass sie später als geplant daheim angekommen war. Aber wenn er es wusste, ließ er es sich nicht anmerken. Es war schwer für sie beide, kleine Geheimnisse voreinander zu haben. Dabei waren doch viele der Meinung, dass es in Beziehungen auch Heimlichkeiten geben sollte. Zur Begrüßung zog Syrell sie in eine Umarmung und ihr stieg der herbe Geruch seines Schweißes in die Nase.
»Du riechst noch nach Schießplatz«, erklärte er, als er sie nach einem kurzen Kuss wieder entließ. Yvonne bemerkte, ehe sie antworten konnte, Schoki, der auf der Rasenfläche saß und die Nachbarskatze beobachtete, die in ihrem Blumenbeet wühlte.
»Du bist mir ein Wachhund.« Lachend sprach sie Schoki an, der sich nicht regte. Bei der ersten Begegnung mit der schwarz-weißen Katze hatte Yvonne befürchtet, dass er ihr nachjagen würde, aber es war genau das passiert, was jetzt auch geschah. Schoki saß auf dem Rasen und die Katze verrichtete ihr Geschäft an einer der Blumen. Der leichte Druck an ihrer Hand erinnerte sie daran, dass Syrell immer noch direkt vor ihr stand und sie nun anlächelte.
»Es braucht exakt einen Hund und eine wundervolle Prinzessin und ich steh auf dem Abstellgleis. Du hast vergessen, mir zu sagen, dass ich rieche wie ein … « Er zog die Stirn kraus und formte einen Schmollmund.
»Ich liebe dich, auch wenn du riechst wie ein Seelöwe.« Sie stellte sich kurz auf die Zehenspitzen und küsste ihn sanft. »Daran ändert selbst ein Hund nichts. Maximal deine zauberhafte Tochter.« Yvonne zwinkerte ihm zu und löste sich von ihm. »Komm, Schoki. Herrchen hat seine fünf beleidigten Minuten, weil er denkt, ich hab dich lieber als ihn.« Sie wandte sich lachend ab, wurde aber innerhalb von Sekunden von Syrell eingeholt, ehe sie die Haustür erreicht hatte. Schoki hatte entgegen ihrer Hoffnung seinen Blick jedoch bisher nicht von der Katze gelöst, obwohl er zu ihnen gekommen war.
»Nein, Schoki, die adoptieren wir nicht auch noch.« Syrell strich dem Hund über den Kopf, dann sah er zu ihr. »Hast du heute schon Nachrichten gehört oder gesehen?«
»Nein? Was ist passiert?« Fragend sah sie ihren Mann an.
»Der Präsident verhandelt mit den Taliban.« Syrells Blick wanderte in die Ferne und sie wurde von einem unguten Gefühl heimgesucht.
»Worüber? Einen Waffenstillstand?« Solche Verhandlungen hatte es immer mal wieder gegeben. Der Kampf an den Fronten in Afghanistan hatte viele Gesichter. Der Feind konnte ein Taliban sein, ein Kämpfer des Islamischen Staates, ein Pakistaner auf Abwegen oder ein Warlord, der sein eigenes Ding durchziehen wollte. Wobei es Warlords gab, die ihnen geholfen hatten. Einer von ihnen war aber auch dafür bekannt, regelmäßig die Seiten zu wechseln.
»Einen Abzug«, murmelte Syrell abwesend. Sie spürte, dass er in Gedanken bei dem war, was passieren würde, wenn die Amerikaner und all die anderen das Land verlassen würden.
»Das ist nicht sein Ernst.« Yvonne lief es kalt den Rücken runter, als sie die Worte entgeistert aussprach.
»Scheint so. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie das durchziehen.« Syrell löste seinen Blick vom Horizont und zog sie in seine Arme. »Vielleicht werden wir arbeitslos.« Er grinste sie an.
»Als ob das Böse je ausstirbt. Wenn das passiert, bin ich gerne arbeitslos.« Sie küsste ihn sanft. »Aber bevor wir arbeitslos werden, sollten wir die Zeit in unserem Haus nutzen.« Yvonne deutete mit dem Kopf auf die Haustür hinter ihnen.
»Wo steckt denn meine Kleine?« Er legte den Arm um sie und geleitete sie so ins Haus.
»Sie schläft oben.«
»Alleine?« Verblüfft sah er sie von der Seite an, dann kniff er ein Auge zusammen. »Du bist auch gerade erst gekommen«, resümierte er mit verschmitztem Ausdruck.
Es würde nichts bringen, es zu leugnen. »Ja, Dennis hat sich verspätet.« Sie schloss die Tür hinter sich und folgte Syrell in die Küche, wo er einen Blick in den Kühlschrank warf.
»Wie kann er sich verspäten, wenn er da eh wohnt?« Mit amüsierter Miene drehte Syrell sich zu ihr und ließ die Kühlschranktür wieder zufallen.
»Er war telefonieren.«
Syrell hob die rechte Augenbraue. Würde sie ihm nun nicht sagen, was vorgefallen war, würde er es innerhalb der nächsten Sekunden herausfinden, es sei denn, sie verhinderte es. Dann würde er wissen, oder in diesem Fall befürchten, dass er etwas Wichtiges nicht mitbekam. Wo sie wieder in Gedanken bei den kleinen Geheimnissen war.
»Er hat mit Rabea Thornton telefoniert.«
Mit einem lauten Ausatmen tat Syrell, ohne dass er es wohl beabsichtigt hatte, kund, was er von der Agentin hielt. Wie es schien, waren die meisten in der I.A.T.F nicht gut auf die Agentin zu sprechen.
»Was ist an ihr denn so schlimm? Ich hab sie nur flüchtig getroffen und ich habe wirklich keine Ahnung, was an ihr dafür sorgt, dass ihr alle gleich reagiert, wenn man euch auf sie anspricht. Ihr verdreht die Augen, atmet und stöhnt wie ein Elefant, der seine letzten Atemzüge macht, und tut so, als würde ihre Anwesenheit etwas ganz Schreckliches mit sich bringen.« Sie lehnte sich an den Tresen, der das Wohn- und Esszimmer von der Küche trennte.
»Sie ist …« Syrell stockte.
»Anstrengend? So wie du es manchmal über Nayeli sagst? Vielleicht macht sie einfach nur ihre Arbeit. Als Agentin kannst du dich nicht mal eben so gegen deinen Boss auflehnen, wie ihr es bei Sean und Ryan macht oder vorher schon bei Paul. Du hast selbst mal gesagt, dass bei Paul alles viel lockerer war als da, wo du vorher warst. Oder ist sie eine Agent Ballot in weiblicher Form?« Wenn Rabea Thornton ähnliche Anwandlungen hatte wie Jeff Ballot, würde sich die Ablehnung erklären lassen.
»Ist aber schon komisch, dass keiner mit ihr zurechtkommt. Sie ist rechthaberisch, will immer ihren Weg gehen und lässt sich nichts sagen.«
»Das ist ihr Job.« Yvonne sah ihn so streng an, dass selbst Schoki, der bis gerade neben ihm gestanden hatte, einen Schritt zur Seite machte.
»Und du lässt dich von Dennis einwickeln.«
»Vielleicht solltest du mal den Menschen Rabea Thornton kennenlernen. Dennis hat es getan und er mag sie«, erklärte sie.
»Mögen?« Syrell legte den Kopf auf eine Seite, und sah sie intensiv an.
»Mehr weiß ich auch nicht.« Sie hob die Hände. Sie wusste mehr, würde es ihm aber nicht sagen und nahm sich vor, ihn nicht so weit in ihre Gedanken vordringen zu lassen, dass er es herausfand. Schließlich wusste auch Dennis nicht, was sie gespürt hatte, als er ihr mehr von Rabea erzählt hatte.
»Soso.« Syrell trat an ihr und Schoki vorbei. »Ich gehe duschen. Solltest du vielleicht auch machen, sonst erkennt deine Tochter dich gleich nicht wieder.« Er zwinkerte ihr zu und machte sich auf den Weg ins Bad. Yvonne blieb in Gedanken in der Küche zurück, die so sauber war wie lange nicht mehr. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Dennis eine Frau sympathisch fand, die allen anderen Menschen unsympathisch war. Sie kannte ihn bereits einige Jahre und er hatte bisher immer eine gute Menschenkenntnis an den Tag gelegt. Nicht umsonst hatte er die Anwältin Lisa Attkins abserviert. Sie wäre zu aufdringlich gewesen und er hätte kein gutes Gefühl bei ihr gehabt, hatte er Yvonne erklärt.