Leseprobe
1.
»Ne! Nein! Vergiss es! Ich nicht!« Darrel stürmte aus der Küche, ohne Karen anzusehen.
»Ey, lass mich jetzt nicht hängen«, rief sie dem Mann mit den dunkelbraunen Haaren in der Hoffnung nach, dass er sie noch hörte. Aber entweder war er wirklich schon zur Tür hinaus oder er stellte sich taub. Ja, das würde es sein. Darrel wollte sie nicht hören, genauso wenig, wie einer der anderen.
»Rüpel! Mit euch kann man zu Weihnachten auch nichts anfangen.« Frustriert schlug sie auf den Keksteig vor sich ein.
»Was ist los?« Yvonne stand wie aus dem Nichts hinter ihr. Daran, dass alle Bewohner des Hauses sich so leise bewegten, dass sie es nicht hören konnte, würde sie sich nie gewöhnen.
»Ach, nichts. Darrel hatte mir versprochen, die Weihnachtseinkäufe mit mir zu erledigen und nun … .« Enttäuscht sah sie den Teig an, als könne er ihr sagen, wie sie mit der Antiweihnachtsstimmung umgehen sollte, die im Haus herrschte.
»Er ist gerade Richtung Strand verschwunden, mit einem Gesicht, als hätte der Grinch ihm die Geschenke geklaut«, vollendete die Deutsche mit einem breiten Grinsen ihre Gedanken.
»Genau, und wenn die so weiter machen, stricke ich jedem ein Paar Socken in Pink.« Wieder landete ihre Faust auf dem hilflosen Mürbeteig.
»Ich schau mal, ob ich nicht doch einen überreden kann. Kann doch nicht so schwer sein.«
Karen wünschte sich, dass sie die Zuversicht von Yvonne teilen könnte, wusste jedoch, dass mindestens die Hälfte der Männer im Haus absolute Weihnachtsmuffel waren.
»Ich muss noch die Weihnachtsdeko zusammensuchen. Das Zeug ist in dutzenden Kisten, die ich immer noch nicht ausgepackt habe«, seufzend dachte sie an die Unmengen von Arbeit, die noch vor ihr lag, bis sie das erste gemeinsame Weihnachtsfest in der Villa feiern konnten.
»Ich mach die Kekse, du die Deko und zwischendurch such ich dir eine Shoppingbegleitung.« Yvonnes herzliches Lächeln sorgte dafür, dass die Vorfreude auf Weihnachten wieder in Karen aufkeimte.
»Du bist ein Schatz, Ivy, danke. Fünfzehn Minuten bei einhundertachtzig Grad. Nicht länger, okay? Und wenn was ist, ruf mich.« Sie drückte der Deutschen einen Kuss auf die Wange und machte sich auf den Weg in ihr Zimmer, wo zahlreiche Umzugskartons in einer Ecke standen und seit Monaten darauf warteten, dass sie endlich ausgepackt wurden.
2.
»Was ist hier los? Und wo bleibst du, Poison?« Sean stand in der Tür und starrte ungläubig auf die Frau, die mit einer kleinen Metallform Sterne aus einem hellen Teig stach. War das ihr Ernst?
Kekse backen?
Weihnachtskekse?
»Ich mach Kekse, Sean. Karen sucht die Weihnachtsdeko zusammen.«
Weihnachten!
Sean schnaubte. Karen war seit je her ein absoluter Weihnachtsfanatiker. Langsam betrat er die Küche.
»Du weißt schon, dass ich was anderes als Kekse backen auf dem Trainingsplan hatte, oder?« Er hatte keine Lust die junge Frau anzubrüllen.
»Ja, weiß ich, aber Karen sah echt traurig aus, als Darrel ihr eine Abfuhr erteilt hat.« Ohne von ihrer Arbeit aufzusehen, berichtete Yvonne ihm davon, dass Karen niemanden hatte, um die Weihnachtseinkäufe zu machen. Er strich sich über sein Kinn und sah zu, wie Yvonne die Sterne auf einem Backblech verteilte.
»Ich bin gleich wieder da.« Dass Yvonne ihm verdutzt nachsah, bemerkte er nicht.
Fünf Minuten später stand er am Strand.
»Bewegt eure Ärsche hier her, Ladys! Wir haben was zu klären! In drei Minuten Treffen in der Küche und das Ganze am besten, ohne das ihr klingt wie eine Horde Elefanten«, schrie er der Gruppe zu, die von Paul Redman angetrieben wurde. Der Captain kam auf ihn zu gesprintet und sah ihn fragend an.
»Was sollen wir in der Küche?«
»Es ist Weihnachten, Captain.«
»Was du nicht sagst, Harrsion.«
»Kommt einfach rein und gut, Paul.« Sean lief zurück in die Villa und bemühte sich, keinen Laut zu verursachen, um Karen nicht zu stören. Er wollte nicht, dass sie ihre Weihnachtsdekosuche unterbrechen musste, nur weil eine Horde Männer ins Haus stürmte. Außerdem sollte sie nicht wissen, was er vorhatte.
Kurze Zeit später hatte sich das gesamte neue Team in der Küche versammelt und Yvonne schob das letzte Blech Kekse in den Ofen.
»White, ich bin ein bisschen sauer auf dich. Wie kannst du Tinkerbell einen Korb geben, wenn es um die Weihnachtseinkäufe geht? Sie liebt Weihnachten und irgendeiner von uns wird sie begleiten, verstanden? Ihr wisst, was um diese Zeit in den Geschäften los ist. Ich hab keine Lust, dass sie ohne Einkäufe zurückkommt, weil sie ausgeraubt wurde oder ihr sonst was passiert ist«, knurrte Sean in die Runde, bemüht niemanden anzuschreien.
»Vergiss es, da mach ich nicht mit. Soll sie ihren Mist alleine einkaufen.« Miguel wollte sich von seinem Stuhl erheben, doch Cayden, der dicht hinter ihm stand, drückte den Italiener bestimmend zurück.
»Du bleibst wo du bist. Wir losen es aus. Wenn das Los auf dich fällt, gehst du mit! Ende der Diskussion!« Sean bemühte sich angestrengt, nicht mit den Zähnen zu knirschen. Die ständigen Diskussionen mit Miguel gingen ihm auf die Nerven. Suchend sah er sich um und entdeckte Zahnstocher, die neben dem Kühlschrank in einer kleinen Dose standen.
»Wir ziehen Hölzer. Poison, wärst du so frei?« Sean sah Yvonne fragend an.
»Gerne.«
Sekunden später hatte sie die Hölzer präpariert und hielt ihre Hände in die Runde.
»Viel Glück, Gentleman.«
Mit einem unguten Gefühl zog Sean einen der Zahnstocher heraus, die Yvonne in ihrer geschlossenen Faust so aufgereiht hatte, dass niemand erkennen konnte, welches das präparierte war, und schloss seine Hand schnell wieder. Erst als alle Hölzer gezogen waren, legten die Männer ihre geschlossenen Fäuste auf den Tisch. Er nickte in die Runde und die Hände öffneten sich. Ihm fiel ein Stein vom Herzen, als er sah, das nicht er den kürzeren gezogen hatte.
»Glückwunsch, Bear, du darfst heute freimachen und Karen begleiten.« Yvonne lachte auf und Sean bemühte sich um einen ernsten Gesichtsausdruck, aber das mürrische Gesicht von Bear machte es fast unmöglich, ernst zu bleiben. Bear sah aus, als hätte man ihn zum Tode verurteilt.
»Du schaffst das schon, Großer.« Mit einem wirklich fiesen Grinsen drehte Yvonne sich zum Backofen um.
»Alte Hexe«, knurrte Bear kaum hörbar und starrte ungläubig das kleine Stück Holz zwischen seinen Fingern an.