Team IATF 14

Operation Marriage – Machtlos Leseprobe

1.

Mit rasendem Herzen und schweißnassen Händen schreckte Yvonne aus dem Schlaf. Sie rang nach Luft und versuchte, ihre Gedanken zu sortieren, während sie sich im dunklen Schlafzimmer umsah. Sie hörte das Rascheln der Bettdecke neben sich und spürte nur eine Sekunde später Syrells Hand auf ihrem Arm.

»Wieder der Traum?« Seine Stimme war vom Schlaf belegt, als er begann, ihren Arm zu streicheln. Seine Berührung half ihr, wieder in die Realität zurückzukommen. Wie so oft erdete er sie so.

»Ja.« 

Es war seit Wochen derselbe Traum. Er änderte sich nur minimal und sie wusste einfach nicht, was er zu bedeuten hatte. Immer wieder kam Wasser darin vor, welches ihr Angst machte. Mal war sie davon umgeben, konnte kein Ufer sehen und verlor die Kraft, um weiterzuschwimmen, mal drang es in ihr Haus ein und nahm ihr alles, was ihr lieb und teuer war. Immer wieder tauchte es in ihren Träumen wie aus dem Nichts auf und sorgte dafür, dass sie schweißgebadet aufwachte. In den letzten Tagen hatte sie viel zu wenig Schlaf bekommen. Dabei war Wasser noch nie ihr Feind gewesen. Es hatte noch nie einen Moment gegeben, in dem sie im Wasser in Gefahr gewesen war. Sie hatte sich immer auf die Kraft des Meeres einlassen können. Nun wollte es sie in ihren Träumen in die Knie zwingen. Jetzt, in diesem Moment, gesellte sich zu der entstandenen Panik, die nur langsam wich, auch noch die immer wieder auftauchende Übelkeit, mit der sie seit Wochen zu kämpfen hatte. Während sie spürte, wie ihr Puls sich beruhigte, bemerkte sie das Rebellieren ihres Magens. Ein kurzer Blick zur Uhr verriet ihr, dass es kurz nach zwei war. Schluckend versuchte sie, die Übelkeit zu verdrängen. Nach wenigen Sekunden wurde ihr jedoch klar, dass sie diesen Kampf nicht gewinnen würde. Aus dem Bett taumelnd lief sie zum Bad, wo sie die Toilette im letzten Moment erreichte. 

Wenige Minuten später lehnte sie sich erschöpft an die Wand neben der Toilette und setzte sich auf den Boden. Sie war den Tränen nahe. Diese Schwangerschaft war so anders, als sie es sich vorgestellt hatte. Sie hatte mit Hormonschüben gerechnet. Damit, dass sie Syrell für Nichtigkeiten anfuhr, nachts den Kühlschrank plündern und bei Filmen grundlos in Tränen ausbrechen würde. Dass sie voller Freude Babysachen einkaufen würde und die Zeit genießen konnte. Stattdessen saß sie öfter im Bad als am Kühlschrank und wenn sie einkaufen musste, erkundigte sie sich beim Betreten des Geschäfts, wo sich die Toilette befand. 

»Hey.« 

Syrell setzte sich neben sie und musterte sie besorgt. 

»Das kann so nicht weitergehen. Du musst zum Arzt, der soll dir was verschreiben, damit das Essen mal drin bleibt.« Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. 

»Das bringt nichts.« Sie atmete tief durch. Das Gefühl der Unpässlichkeit war verschwunden und machte der Müdigkeit Platz. Vor zwei Wochen hatte sie das erste Mal wegen der Übelkeit einen Arzt aufgesucht. Nachdem dieser ihr gesagt hatte, der Brechreiz wäre in ihrer Phase der Schwangerschaft noch völlig normal, hatte sie drei weitere aufgesucht, von denen zwei sie nicht ernst genommen hatten und der dritte ihr geraten hatte, noch zwei Wochen zu warten, da es dann von alleine besser werden würde. Ihre Gynäkologin hatte ihr ebenfalls nur Ratschläge mit auf den Weg gegeben. Trockenes Weißbrot und die Speisen nicht zu fettig oder zu sauer. Aber das waren alles Dinge, die sie schon beachtete. 

»Du bist aber mehr im Bad als in der Küche. Und du hast abgenommen. Das ist weder für dich noch für die Kleine gut.« Er küsste sie sanft auf die Stirn, ehe er sich wieder mit dem Rücken an die geflieste Wand lehnte, an der sie saßen, und seinen Arm über ihre Schulter legte. 

»Ich weiß.« Sie schloss die Augen und genoss seine Be-rührung. Es gelang ihm immer wieder, ihr einen Moment all die Sorgen zu nehmen, die sie quälten. Allerdings waren diese Augenblicke in der letzten Zeit viel zu kurz. Zu schnell holten sie die Sorgen und vor allem die Übelkeit wieder ein.

»Na komm, ins Bett mit euch.« Syrell erhob sich, was bei ihm fast elegant anmutete. Sie fühlte sich nicht mal mehr dazu in der Lage, aufzustehen, ohne dabei wie eine Achtzigjährige zu wirken. Dankbar ergriff sie seine Hand.

»Versprich mir, dass du morgen zum Arzt gehst.« Er schlang seine Arme um sie und zog sie eng an sich. Schwer ausatmend legte sie ihren Kopf an seine Schulter. Dutzende Gedanken schossen ihr durch den Kopf, aber in keinem kam ein Arzt vor. Was sollte sie bei einem Arzt, wenn man ihr dort doch immer nur sagte, dass es normal sei und wahrscheinlich in spätestens einem Monat, wenn nicht sogar früher, verschwunden ware? Vielleicht war das hier schon eine der Sachen, die man als Schwangere neben der Geburt einfach durchstehen musste. Sie war auch nicht die Erste, die mit Übelkeit zu kämpfen hatte und sie hatte auch noch nie von einer Frau gehört, die wegen Schwangerschaftsübelkeit umgekommen war. Sie war schwan-ger, nicht krank. Das war etwas, was sie immer wieder betonte. 

»Ich sag auch nicht, dass du krank bist. Aber so geht das nicht. Du musst schlafen und essen, wie jeder andere auch. Ich ruf später Sean an und nehm mir frei. Dann fahr ich mit.« 

»Ich bin kein kleines Kind mehr, verflucht. Ich kann selbst zum Arzt fahren.« Schon nach der letzten Silbe tat es ihr leid, dass sie Syrell angefahren hatte. So hatte sie nicht mit ihm reden wollen. Aber der Gedanke daran, dass man sie beim Arzt wieder nicht ernst nehmen würde, frustrierte sie bereits jetzt. Dazu sollte niemand den Eindruck bekommen, dass sie sich nicht selbst kümmern konnte. 

»Deswegen kommt der Schamane mit. Und bevor die Wildkatze mich nun frisst, gehen wir ins Bett. Müssen wir auf dem Weg noch am Kühlschrank vorbei?« Grinsend sah er sie an. Yvonne war unfassbar glücklich darüber, dass Syrell ihre in letzter Zeit häufigen Ausbrüche so oft einfach ignorierte. Er nahm es ihr nicht übel, dass ihr Körper ihrem Geist in letzter Zeit seltsame Dinge vorschlug. 

»Nein müssen wir nicht. Aber ich will mir noch die Zähne putzen. Das Essen schmeckt beim zweiten Mal nicht mehr so besonders.« Keck grinste sie ihn an. Bei ihren Worten eine Grimasse ziehend, verließ er das Bad. Gedankenverloren sah sie in den Spiegel. Ihr Blick war, wenn auch müde, mit einem Glanz, den Syrell schon viel früher gesehen hatte und von dem andere sagten, dass nur Schwangere dieses Leuchten in den Augen hatten. Aber sie entdeckte noch etwas anderes. Sie bildete sich ein, ihrer Mutter ähnlicher zu werden. Eines nahm sie sich jedoch vor: Sie würde ihr Kind nie verstoßen. Es würde keinen Job geben, der für einen Bruch in der Familie sorgen würde. Das Gefühl der Zurückweisung durch die eigenen Eltern sollte ihr Kind nie erleben. Selbst wenn sie sich inzwischen wieder gut mit ihren Eltern verstand und sie sogar an der Hochzeit teilnehmen wollten, fehlten Jahre des Familienlebens. 

»Kommst du?« 

Sie zuckte zusammen, als sie Syrells Stimme vernahm. Im Spiegel sah sie ihn gegen den Türrahmen lehnend stehen. Lächelnd drehte sie sich zu ihm um. Ein Gutes hätte es, wenn er sich am nächsten Tag frei nehmen würde, dann könnten sie die Zweisamkeit noch in vollen Zügen genießen und er müsste nicht schon in wenigen Stunden wieder los. 

»Wenn du noch lange so da stehst, geht die Sonne wieder auf.« Syrell machte zwei Schritte auf sie zu, griff nach ihrer Hand und zog sie hinter sich her ins Schlafzimmer. Am Bett angekommen drehte er sich zu ihr um, zog sie eng an sich und legte seine Lippen zu einem fordernden Kuss auf ihre. 

Um halb fünf vernahm sie Syrells Murren, als ihr Wecker die Nacht beendete. Gefühlt war sie erst vor wenigen Minuten dicht an ihn geschmiegt eingeschlafen und hatte seine Streichel-einheiten genossen. Seine mürrischen Laute sorgten für ein Vibrieren in seiner Brust. Sie ließ ihre Finger über seine Brust gleiten, was ihm ein behagliches Seufzen entlockte, während er sich unter ihr auf die Seite rollte und nach seinem Handy auf dem Nachttisch angelte. 

»Du bist manchmal so unromantisch.«

»Ich könnte wieder romantisch werden, wenn du mich ans Telefon lässt.« Er schob sie ein Stück übers Bett und grinste dann gewinnend, als er ihr das Handy vor die Nase hielt. Anschließend wanderte sein Finger auf ihre Lippen und gebot ihr so, zu schweigen. Es dauerte einen Moment, bis sie Seans Stimme vernehmen konnte, die leise zu ihr drang. Was sie aber deutlich spüren konnte, war Seans sehr schlechte Laune, als Syrell ihm erklärte, dass er sie zum Arzt begleiten wollte.

»Sean, es geht ihr nicht gut und ich werde mit ihr zum Arzt fahren. Es läuft auch mal ohne mich, oder hast du einen Einsatz für mich?« Sein Blick wanderte zu Yvonne. 

In ihr zog sich etwas zusammen. Syrell hatte ihr versprochen nicht wieder in Einsätze zu gehen, und doch spielte er seit einiger Zeit mit dem Gedanken, doch aktiv im Dienst zu bleiben. Es schien wie eine Droge zu sein, von der man nicht loskommen konnte. Denn auch sie kannte dieses Verlangen, das Adrenalin wieder spüren zu wollen. In letzter Zeit spürte sie es immer häufiger. Auch wenn es immer Syrell war, der über das Aufhören nachdachte und der sie dazu hatte bringen wollen auszusteigen, schien er noch nicht bereit zu sein, seinen Dienst ganz aufzugeben. 

Syrell zog seine Augenbrauen weiter zusammen und sein Unmut war nicht mehr zu übersehen. 

»Cap, das ist mir vollkommen egal. Ich fahre mit ihr hin und gut. Ich kann dir auch meine Papiere auf den Schreibtisch legen, wenn du nicht damit leben kannst, dass ich mal einen Tag frei machen will.« 

Während Syrell dann schwieg, konnte Yvonne wieder Seans aufgebrachte Stimme vernehmen. Syrell atmete so tief durch, dass sie seine sich hebende Brust deutlich sehen konnte, als sie ihn, auf einen Ellenbogen gestützt, beobachtete. 

»Harrison, reiß dich zusammen. Ich bin kein Rekrut, verflucht. Ich frage dich als Mensch und Freund nach einem freien Tag und nicht als Neuling, der die letzten acht Wochen krank gemacht hat und den du eh nicht leiden kannst«, fuhr Syrell seinen Captain an. Es entstand eine Pause und Syrell schloss genervt die Augen. 

In den letzten Tagen hatte sich im Team, gerade unter den Ranghöheren, eine Spannung entwickelt, die niemand genau ergründen konnte und deren Ursprung wohl selbst Sean, John und Joe nicht kannten, die alles taten, um das Team zusammenzuhalten. Dass Joe als CO direkt hinter John und Sean stand, die gleichberechtigt als Captain dem Team vorstanden, hatte einigen der älteren Teammitglieder nicht gefallen. Gerade Roderick hatte sich Hoffnungen auf diesen Posten gemacht, sich dann aber doch damit abgefunden. Letzten Endes machte in einem Einsatz niemand mehr einen Unterschied. Es war egal, welchen Rang sie bekleideten. Kugeln war es egal, ob sie den Captain oder den CO trafen. 

Rafael, der das Team sonst immer mit Infos aus erster Hand versorgt hatte, war nur noch selten anzutreffen und so wie Syrell Yvonne erzählt hatte, war der NCIS-Agent immer noch auf der Jagd nach Jordans Mörder. Dabei kannten sie alle längst seinen Namen. Trotzdem gelang es ihnen nicht, demjenigen die Tat zweifelsfrei zuzuschreiben. Rafael tat alles dafür, damit man den CIA-Agenten dingfest machen konnte, nur riskierte er bei diesen Versuchen, dass man ihn auf eine Abschussliste setzte, die ihn nicht einfach nur den Job kosten könnte. Es war ein offenes Geheimnis, dass Agenten, die zu sehr gegen führende Positionen der Agency arbeiteten, durch seltsame Umstände ums Leben kamen. Genau diese Umstände wollte Rafael umgehen und die Schuld von Jeff Ballot einwandfrei nachweisen, was dieser jedoch immer wieder geschickt vereitelte. Immer wieder verschwanden Indizienbeweise aus Akten, oder Zeugen, die ausgesagt hatten, Ballot sei an dem Tag nicht im Büro gewesen, erinnerten sich plötzlich, dass sie doch Gespräche mit ihm geführt hatten. 

Liv und Joyce waren weiterhin auf der Suche nach dutzenden Sprengstoffwesten, von denen man vor wenigen Tagen eine hatte sicherstellen können, als ein Anschlag auf ein Einkaufszentrum verhindert worden war. Aber Milazim hatte die Spuren, die das Verteilen der Westen hinterließ, gut verwischt. Immer wieder endeten die Ermittlungen in Sackgassen und mit viel Frust. Derrin, der als guter Freund von Nathan und gleichzeitig gesuchter Terrorist in San Diego angekommen war, stand unter ständiger Bewachung, was vor allem Nathan aufstieß. Nathan war zurecht der Meinung, dass Derrin auf ihrer Seite spielte, nur sahen die Behörden dieses anders. So konnte der junge Afghane sich außerhalb seines kleinen Appartements, das ihm gemietet worden war, keinen Meter frei bewegen. Der einzige positive Aspekt dieser Überwachung war, dass niemand so schnell versuchen würde, Derrin umzubringen. Leider war diese Gefahr greifbarer als die Gefahr, dass Derrin seinerseits jemanden umbringen würde.

Syrell und Nathan hatten begonnen, Sean, John und Joe Aufgaben abzunehmen, so dass sich intern eine Rangfolge aufgetan hatte, die für Syrell viel Arbeit und Verantwortung bedeutete, die er nicht unbedingt hatte haben wollen. So war er abends oft erschöpfter als sonst. Aber Yvonne war der Meinung, dass der Weg, den das Team eingeschlagen hatte, richtig war. Der Zusammenhalt wurde selbst durch die internen Reibereien gestärkt. 

Syrells leises Seufzen holte sie aus ihren Gedanken. Unvermittelt reichte er ihr sein Handy und sie rechnete damit, dass Sean ihr sagen würde, sie solle alleine zum Arzt fahren. 

»Emy weiß vielleicht Rat«, flüsterte Syrell und schloss die Augen, als sie das Handy an ihr Ohr hielt. Also hatte Sean sich beruhigt, oder Emelie hatte ihm das Handy abgenommen, um ihn zur Ruhe zu bringen. 

Nach einer kurzen Begrüßung, bei der Emelie so müde klang, dass Yvonne befürchtete, sie würde am Telefon einschlafen, kam sie jedoch schnell zur Sache. 

»Ich kenne eine Hebamme, die sich vor Kurzem selbstständig gemacht hat. Eine meiner ehemaligen Schülerinnen war damals bei ihr, da sie auch im Bad übernachtet hat. Sie hat meiner Schülerin, die wie du von einem Arzt zum anderen gerannt ist, damals sehr geholfen. Wenn du willst, fahr ich mit dir zusammen hin, dann kann Syrell Sean heute auf der Arbeit die Hand halten. Der ist echt unausstehlich im Moment.« Der letzte Satz war nur noch ein Flüstern und ein unausge-sprochener Hilferuf von Emelie. Der Stress, unter dem Sean zurzeit litt, war alles andere als förderlich für die Beziehung zwischen ihm und der Lehrerin, auch wenn sie sicher mit seinen Macken umgehen konnte, ihm immer wieder die Stirn bot und ihn mehrfach zurechtgewiesen hatte. Yvonne zögerte einen Augenblick, bemerkte dann aber, wie Syrell ihr zunickte. 

»Okay, wann soll ich bei dir sein?« 

»Ich komme zu dir. Gegen elf? Vorher kann ich leider nicht – Schule«, erklärte Emelie. Im Hintergrund hörte Yvonne Sean sagen, dass sie Syrell ausrichten sollte, er solle um halb sechs an der Base sein. 

»Ist okay. Und richte Sean aus, dass Syrell pünktlich da sein wird.« Dass er sich beruhigen sollte, behielt Yvonne für sich. Das war etwas, dass sie ihm demnächst ins Gesicht sagen würde.

»Danke, bis später.« Aus irgendeinem Grund klang Emelie erleichtert, als sie das Gespräch beendete. Dabei sollte Yvonne doch diejenige sein, die erleichtert klingen sollte. Schließlich bestand die Möglichkeit, dass ihr Leiden in wenigen Stunden ein Ende fand. 

»Der SEAL?« Syrell drehte ihr den Kopf zu und musterte sie mit einem Auge fragend, während er das andere geschlossen hatte. 

»SEAL-Ausbilder mit Schlafentzug«, resümierte sie Seans Laune und lehnte ihren Kopf an Syrells nackte Brust. Auch wenn Emelie Sean oft die Stirn bot und wie er ein Dickkopf sein konnte, wenn es um das Durchsetzen ihrer Meinung ging, schien sie nun das Tier in Sean kennenzulernen. Es war dringend an der Zeit, dass Sean sich wieder in den Griff bekam, sonst würde er schnell wieder Single sein, was dann für niemanden im Team gut sein würde. Für seinen Job als Captain war es unabdinglich, dass er von jedem zweihundert Prozent forderte, aber sein Privatleben begann im Moment stark unter seiner Art zu leiden.

»Ich versuche mal, mit ihm zu reden, wenn wir eine ruhige Minute haben.« Syrell ließ seine Hand strich über ihren Rücken und schob schließlich ihr Shirt hoch. Warm glitt seine Hand über ihre nackte Haut. Yvonne wollte etwas erwidern, unterließ es jedoch, da sie spürte, dass da noch mehr war, was ihr Verlobter ihr sagen wollte. 

»Ich geh nicht wieder in einen Einsatz.« Flüsternd sprach er das aus, wovor sie immer Angst gehabt hatte. Irgendetwas, was sie nicht benennen konnte, ließ sie jedoch an seiner Aussage zweifeln. Sie hatte ein Gefühl, von dem sie sicher war, dass auch Syrell es spürte. Eine seltsame Ungewissheit und etwas, das klar machte, dass weder er noch sie ihre Arbeit wirklich aufgeben würden. Vielleicht wurde dieses nicht wieder, von dem er sprach, einfach nur eine Auszeit werden. Schließlich lag da etwas in ihrer beider Blut, von dem sie nur schwer ablassen konnten. 

Sie hatten schon mehrfach zusammen ihre Zukunft geplant. Sie hatten Szenarien durchgespielt, in denen sie, statt zu kämpfen, Versicherungen verkauften oder als Kassierer in Supermärkten arbeiteten. Aber auch die Variante, als Ausbilder beim Militär zu bleiben, was ihr am meisten zusagte, oder wieder mit auf Einsätze zugehen, was ihr am meisten Angst machte. Dann würden sie nie zusammen aufbrechen, damit ihr Kind nicht plötzlich als Waise aufwuchs. Aber dann wäre ständig die Gefahr gegeben, dass einem von ihnen etwas zustieß und dass dieses Erlebnis das Leben ihres Kindes für immer prägen würde.

»Kleines?« Syrell stoppte in seiner Bewegung. 

»Hm?« Sie bewegte sich nicht. Sie spürte Syrells warme Brust, auf der sie mit dem Gesicht lag. Sie war unendlich müde, und einzig der Gedanke, dass Syrell in wenigen Minuten aufstehen würde, hielt sie vom Schlafen ab. 

»Das entscheiden wir, wenn es so weit ist.« Seine Hand löste sich von ihrem Rücken und ihr kam ein leises, protestierendes Murren über die Lippen. Entschuldigend strich er durch ihre Haare. »Ich muss los. Schlaf noch ein wenig und schau, dass ihr später etwas esst.« Anstatt ihr einen Kuss auf den Mund zu geben, richtete er sich auf, schob ihr Shirt hoch und küsste ihren Bauch, was er in letzter Zeit immer wieder tat. Dann flüsterte er einige Worte in Diné, von denen sie wusste, dass sie Ich liebe dich bedeuteten und sah zu ihr auf. »Dich liebe ich auch.« Lächelnd stand er auf. 

2.

Nick Black stand unschlüssig vor dem großen Gebäude, in dem er sich heute bei den Captains Sean Harrison und John Thomsen melden sollte. Der große Komplex mit seinen roten Klinkersteinen hatte immer noch viel von einem Hotel an sich. Der Eingangsbereich bestand aus zwei Glastüren und die Fenster an den Seiten boten einen Blick in das Innere. Vor jedem Fenster in den oberen Etagen gab es Blumenkästen, die zu den Zeiten, in denen im Hotel noch Gäste beherbergt waren, sicher mit Blumen bepflanzt gewesen waren. Jetzt waren die ehemals weißen Kästen grau und leer. Schwere Vorhänge machten es unmöglich, in die Zimmer zu sehen, und dort, wo früher die Leuchtwerbung des Hotels angebracht gewesen war, hingen Kabel trist aus dem Mauerwerk. Wenn man seine Phantasie jedoch etwas bemühte, konnte man den alten Flair des Gebäudes noch gut erkennen. 

Auch wenn er schon einmal hier gewesen war, machte sich nun ein mulmiges Gefühl in ihm breit. Das erste Zusammen-treffen mit seinen neuen Vorgesetzten war schon eine Weile her, aber es war trotz seiner eigenen Unruhe entspannt verlaufen. Nach langen Gesprächen hatten Harrison und Thomsen ihm vorgeschlagen, sich als Sanitäter weiterzubilden. 

Vier Monate hatte er nun fast täglich die Schulbank gedrückt. Er hatte nicht nur einfach das gelernt, was jeder lernen musste, wenn er in die Navy eintrat. Die Gruppe, in der er ausgebildet worden war, war nun in der Lage, schwerste Verletzungen auch mitten im Gefecht mit der nötigen Ruhe und Professionalität zu behandeln. Auch wenn ihre Ausbilder ihnen bereits gesagt hatten, dass im Einsatz selbst alles anders sein würde, fühlte er sich für diesen Job bereit. Dass er es hier her geschafft hatte, hatte nichts damit zu tun, dass er mit der Tochter des ehemaligen Teamcaptains der IATF liiert war. Master Chief Petty Officer Underwood, sein Ausbilder, hatte mit Sean Harrison einen Deal gemacht, da er der Meinung war, er würde es schaffen, in dieser Eliteeinheit Fuß zu fassen. Doch in diesem Moment, vor dem Hotel stehend, wurde er von Zweifeln heimgesucht. Eine Einheit wie die IATF, die hinter vorgehaltener Hand sogar schon mit der Delta Force und den SEALs verglichen wurde, machte es niemandem leicht, in ihren Reihen Fuß zu fassen. Genau das hatte Paul Redman, Ambers Vater, ihm gesagt und ihm mit auf den Weg gegeben, dass er sich durchbeißen sollte, auch wenn er das Gefühl hatte, seine Kräfte würden ihn verlassen. Nick war klar, dass hier niemand mit Samthandschuhen angefasst wurde, erst recht nicht, wenn man in irgendeiner Beziehung zu anderen oder alten Teammitgliedern stand. Auf keinen Fall wollte er sich Redman gegenüber die Blöße geben und aufgeben. 

»Black, was stehen Sie hier rum? Ihr Job beginnt da drinnen.« 

Nick zuckte zusammen, als er die Stimme vernahm. Joe Burnett stand wie aus dem Nichts neben ihm. Nick war dem CO des Teams schon einmal begegnet. Da hatte er noch gedacht, dass der Mann mit den stechend grünen Augen und dunklen Haaren ein ruhiger, lockerer Typ war. Jetzt schwang etwas anderes in seiner Stimme mit. Etwas, das Nick klarmachte, dass das, was vor ihm lag, kein Spaziergang werden würde. Das, was ihn hinter der Tür erwartete, war harte Arbeit. Es war mehr als das, was Underwood ihm beigebracht hatte. 

»Ich wollte gerade reingehen, Sir.« Nick salutierte, auch wenn er wusste, dass diese Geste zu spät kam. 

»Gambit, was machst du da? Warum hampelt der vor dir rum?« Wer auch immer sich gerade von hinten näherte, hatte eine sehr tiefe Stimme und klang amüsiert. Nick wagte es jedoch nicht, sich umzudrehen. Er sprach mit einem Vorgesetzten, da war es nicht angebracht zu schauen, wer sich ihnen da näherte, selbst wenn dieser jemand einen höheren Rang als Burnett innehatte.

»Das ist der neue Corpseman, Sheep.« 

Nun tauchte in Nicks Sichtfeld ein dunkelhäutiger Mann mit krausen Haaren auf. Es machte den Anschein, als hätte er sie seit Wochen nicht mehr gepflegt. An der camouflagefarbenen Uniform des ihm Fremden konnte Nick kein Abzeichen finden, was ihn nervös werden ließ. Was, wenn es ein ranghöherer Offizier war? Er wollte sich nicht gleich am ersten Tag unbeliebt machen, daher salutierte er ein weiteres Mal, was sein Gegenüber lachen ließ. Der gut einsachtzig große Mann erwiderte mit einem amüsierten Grinsen die Geste, nickte, wandte sich dann von ihm ab und verschwand mit einem knappen Kopfschütteln im Gebäude. 

»Wollen Sie nun noch länger hier stehen, oder was? Ich glaube, Harrison und Thomsen warten nicht so gerne.« Burnett deutete auf die Eingangstür. 

»Aye Sir.« Nick nickte und ging an Joe Burnett vorbei in das Gebäude. Als er eintrat, konnte er den Geruch von frischer Farbe wahrnehmen. Dort, wo früher der Empfangstresen mit einem Büro gewesen sein musste, befand sich ein großer Raum, den man durch einen großen Wanddurchbruch betreten konnte. Die Männer, die dort saßen und ihn kurz musterten, bedachte er nur mit einem knappen Nicken. Es schien eine Art Aufenthaltsraum zu sein, da an einer Wand eine Küchenzeile verbaut war. Vielleicht würde er später auch dort sitzen. Jetzt war es ihm egal, wie es dort aussah. Mit seinen nassgeschwitzten Händen strich er über seine Hose. Nick versuchte sich daran zu erinnern, wo sich die Büros von Harrison und Thomsen befanden. Aber hier sah jede Tür aus wie die andere und es gab keine Schilder, auf denen stand, wer sich hinter ihnen befand. Langsam ging er über den Flur und rief sich die Bilder in Erinnerung, die er gesehen hatte, als er das erste Mal hier gewesen war. 

Die dritte Tür auf der linken Seite. 

Durchatmend blieb er vor der braunen Holztür stehen, strich sich nochmals die Hände an der Hose ab, ehe er klopfte. War er richtig? Er warf einen Blick über die Schulter auf die Tür hinter ihm auf der anderen Seite des Flures. Aber auch hier gab es kein Schild. Auch wenn es nur ein kleiner Unterschied zu dem war, was er kannte, machte dieser Unterschied ihn nervös. Sonst hatte es überall Schilder gegeben, die ihm gesagt hatten, wer ihn auf der anderen Seite erwartete. 

»Was?« Eine tiefe mürrische Stimme drang aus dem Inneren des Büros zu ihm durch. Verdammt, wenn die Laune seines Vorgesetzten bereits jetzt so im Keller war, würde sein erster Tag vielleicht auch direkt sein letzter hier sein. Unruhig warf er einen schnellen Blick auf die Uhr, ehe er die Tür öffnete. Er war gut in der Zeit, also würde man ihn schon mal nicht deswegen rauswerfen. Aber er war sich nicht sicher, ob er das Was als Herein werten sollte. Wenn das Was keine Aufforderung für das Eintreten gewesen war, würde er es in den nächsten Sekunden erfahren. Das Letzte, was er an seinem ersten Tag hier brauchen konnte, war Ärger mit seinen Vorgesetzten. Man würde es ihm als Greenhorn ohnehin nicht leicht machen, im Team Fuß zu fassen. 

»Privat Black meldet sich zum Dienst.« Er salutierte und rechnete damit, dass man ihn anfahren würde, falls das Was wirklich nicht als Aufforderung zum Eintritt gedacht gewesen war. Verzweifelt begann er, im Kopf die passenden Worte für sein Verhalten zu suchen. Captain Harrison beugte sich an seinem Schreibtisch sitzend nach vorne und schob die Augenbrauen zusammen, was zu einer tiefen Falte auf seiner Stirn führte. Verdammt, das Was war nicht das gewesen, für das er es gehalten hatte. Oder saß seine Uniform nicht richtig? Hatte er sich vielleicht gar nicht bei Harrison melden sollen, sondern bei Thomsen? Dutzende Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Sekundenlang starrte Harrison ihn an, dann verformten sich seine Lippen zu schmalen Strichen und Nick wusste, dass er wieder gehen konnte. Wahrscheinlich musste er nun vor die Tür, anklopfen und erneut Meldung machen, bis Harrison mit ihm zufrieden war. Harrison atmete so tief durch, dass Nick sich einbildete, den Atem des fast zwei Meter großen Mannes im Gesicht zu spüren. Mit leicht zur Seite geneigtem Kopf umrundete der Mann mit den breiten Schultern den Schreibtisch und ließ ihn nicht aus seinen grünbraunen Augen. Nick schluckte schwer, obwohl er es verhindern wollte. Aber sein neuer Captain war nicht nur einen Kopf größer als er, er hatte auch einen Blick, der keine Widerworte duldete. 

»Willkommen im Team, Nick.« Harrisons Gesichtsausdruck entspannte sich schlagartig. »Wenigstens einer, der heute pünktlich ist.« Harrison reichte ihm die Hand, die er nur zögernd ergriff. 

»Cap?« 

Harrisons Blick wanderte an ihm vorbei, als er die tiefe Stimme vernahm, die hinter ihnen erklang. 

»Wesley?« Der Griff seines Captains löste sich und Nick riskierte einen knappen Blick über die Schulter, wo ein braungebrannter Mann den Raum betreten hatte. »Ich soll dir von John und Joe ausrichten, dass wir loskönnen. Die trinken gerade ihren letzten Schluck Kaffee.« Während der Mann, den Harrison mit Wesley angesprochen hatte, sprach, musterte er ihn interessiert. 

»Ist Sy da?« Fragend sah der Captain Wesley an. 

»Gerade gekommen«, war die zackige Antwort des Mannes, ohne ihn aus den Augen zu lassen. 

»Nimm Black mit zu den Käfigen. Der hinten links ist seiner. Schloss ist dran, Schlüssel steckt. Und pass auf die Sachen auf, Black.« Harrison warf ihm einen mahnenden Blick zu und wandte sich dann wieder Wesley zu. »Sag den anderen, dass wir uns in zehn Minuten im Konferenzzimmer treffen.« 

»Aber …« 

»Nix aber, Casanova«, unterbrach Harrison Wesley, der aufstöhnte. 

»Dann komm mal mit, Black.« Wesley hatte, schon während er sprach, die Tür erreicht, und bog um die Ecke. Harrisons leichte Kopfbewegung mit zur Tür gerichteten Augen veranlasste Nick, den Raum zu verlassen, ohne zu fragen, ob er wegtreten durfte. Irgendwas war hier so ganz anders als dort, von wo er kam. Er eilte hinter Wesley her, der bereits das Ende des Flures erreicht hatte. Nur kurz erlangten zwei Aufzüge Nicks Aufmerksamkeit an denen jeweils ein Außer Betrieb Schild hing. Wesley erreichte weit vor ihm eine Treppe, die er mit großen Schritten hinunter spurtete. 

Von der Treppe aus kamen sie in einen riesigen Raum. Es gab neben dutzenden Fitnessgeräten eine Wand, an der sich etliche, schrankähnliche, Käfige befanden. Von diesen Ausrüstungskäfigen hatte Nick bisher nur gehört. Während er Wesley die Reihe entlang folgte, warf er immer wieder interessierte Blicke durch die Gitter. Jeder Käfig war anders bestückt. In einigen waren Regalbretter befestigt, in anderen hingen verschiedenste Ausrüstungsgegenstände an Haken. Und es machte den Anschein, als befänden sich in jedem Käfig andere Sachen. Ihm war klar, dass er jetzt keine Zeit haben würde, um sich alles genau anzusehen. 

»Das ist deiner.« Wesley war an einem Käfig stehen geblieben und deutete mit dem Kopf auf die Gittertür. »Pass auf den Schlüssel auf«, murrte der Mann ihm zu, an dessen Oberarm Nick ein Tattoo erkennen konnte, welches von einer Narbe durchzogen war. Nick öffnete die Tür seines Käfigs und ließ beim Betreten seinen Blick über die Ausrüstung schweifen. Auch wenn er nur einen Bruchteil sofort zur Kenntnis nahm, so bemerkte er, dass die IATF weit besser ausgerüstet war als die Einheit, der er zuvor bei der Navy angehört hatte. Bei seinem Mustern der Ausrüstung, zu der neben diverser Uniformen, Gewehre, schusssichere Westen, zusätzliche Einlagen für selbige, Magazine und ein riesiger Bolzenschneider gehörten, stellte er sich die Frage, wie der heutige Tag verlaufen würde. Harrison hatte nichts gesagt oder angedeutet. Wie sollte er da wissen, was er benötigte? Zögernd sah er sich zu Wesley um, der an einem Betonpfeiler unweit seines Käfigs lehnte und ihn immer noch mit Argusaugen beobachtete. 

»Wir gehen auf den Parcours«, murrte der dunkelhaarige Mann genervt. 

Nick verkniff sich einen Kommentar und hatte nach nur wenigen Minuten seine Kleidung gewechselt, schloss die Tür ab und fädelte den Schlüssel auf seinen Schlüsselbund. So würde er nicht verloren gehen und er hatte ihn immer dabei. Er äußerte sich nicht darüber, dass seine Kleidung und die Schuhe so gut passten, als hätte er sie selbst besorgt. Man hatte seine Unterlagen scheinbar genau studiert und nicht nur die passende Kleidungsgröße gefunden, sondern auch seine Vorliebe für eine bestimmte Sorte Einlagen, die er immer in den Schuhen trug, auch wenn jeder ihm davon abriet. 

»Beweg dich, Black.« Wesley hatte die Treppe bereits wieder erreicht, als er ihn zu sich bestellte. Nicks letzter Blick, ehe er an der Treppe ankam, landete auf einer Langhantel mit geschätzten hundert Kilo. Hier waren eindeutig keine Anfänger mehr unterwegs. 

»Träum da nicht rum, verdammt!« Wesleys lautes Rufen machte ihm klar, dass sein Kollege bereits im Erdgeschoss angekommen war. Am Ende der Treppe stieß er mit dem dunkelhäutigen Mann zusammen, den er bereits vor der Tür gesehen hatte. 

»Mann, pass doch auf.« Nach dem Anranzer trat der Mann mit den krausen Haaren einen Schritt zurück und musterte ihn skeptisch von oben bis unten. 

»Du bist Black?« Der Mann grinste ihn mit strahlendweißen Zähnen an. »Der Black, von dem die Caps immer reden?« Jetzt stieß er ein spöttisches Lachen aus. 

»Ja.« Nick zwang sich, die Aussage nicht weiter zu kommentieren. Er hatte bereits vor Wochen geahnt, dass er zu Beginn keinen leichten Stand im Team haben würde. Hier hatten alle jahrelange Erfahrung und mehr als einen Kampf-einsatz hinter sich. Das Einzige, was er hinter sich hatte, war die Ausbildung bei der Navy und die als Sanitäter. Und genau diese Unerfahrenheit würden die Mitglieder der IATF ihn spüren lassen, dessen war er sich sicher. Er hatte sich fest vorgenommen, ihnen die Stirn zu bieten und sich nicht von ihnen vertreiben zu lassen. Denn genau das würden sie versuchen. Sie würden niemanden in ihren Reihen aufnehmen, der sich durch Sticheleien und einige blöde Sprüche vertreiben ließ. Er wollte bleiben und seinen Platz in den Reihen der IATF finden, auch wenn das bedeutete, dass er über Monate nichts anderes machen durfte als Kaffee zu kochen und Bier zu holen. 

»Sheep, du Rindvieh! Was stehst du da rum?« Die Stimme einer Frau hallte über den Flur und Nick sah noch einen Schatten in einen Raum verschwinden. 

»Wenn du keinen Anschiss kassieren willst, solltest du dich beeilen.« Sheep grinste erneut. 

»Und du darfst zu spät kommen?«, rutschte es Nick heraus. Verflucht. Erstens konnte er den Mann nicht einfach duzen und zweitens stand es ihm nicht zu, so mit ihm zu reden. Sheep legte den Kopf auf die Seite und kniff ein Auge zu. 

»Welpenschutz.« Mit diesem Wort und einem selbstgefälligen Grinsen drehte er sich um und ließ Nick sprachlos stehen. Welpenschutz? Wenn hier einer Welpenschutz bekommen sollte, dann war er es doch, oder? Obwohl er von der Aussage irritiert war, beeilte er sich, den Raum zu erreichen, in dem immer mehr Männer verschwanden. 

Als er den Konferenzraum betrat, richteten sich plötzlich alle Blicke auf ihn. Zumindest bildete er sich ein, dass ihn alle Anwesenden ansahen. Einige der Gesichter hatte er bei seinem ersten Besuch hier bereits gesehen, jedoch konnte er nur wenigen einen Namen zuordnen. Unschlüssig blieb er einen Moment zwischen den Stuhlreihen stehen, die bis auf wenige Plätze gefüllt waren.

»Leute, das ist Nick Black, unser neuer Corpseman. Er wird Tom und Werner unterstützen, da wir das Team künftig sicher öfter mal in kleinere Gruppen teilen werden. Und ich möchte, dass immer einer dabei ist, der eine Sanitäterausbildung hinter sich gebracht hat, damit mal eben ein Pflaster geklebt werden kann.« John Thomsen, den Nick noch vom ersten Tag kannte und einer der wenigen war, dessen Namen er wusste, deutete auf ihn. Pflaster kleben! Innerlich rollte Nick mit den Augen.

»Das ist Black?« Die Frau, deren Stimme er zuvor auf dem Flur gehört hatte, ergriff lachend das Wort. Nick wandte sich ihr zu. Sie war sicher noch keine dreißig, blond und recht schmal gebaut. »Unter Black hatte ich mir einen großen Typen vorgestellt, der schon durch sein bloßes Erscheinen, die Gegner in die Flucht schlägt.« Bei ihren letzten Worten brach sie in schallendes Gelächter aus, in das einige einstimmten. 

»Ruhe verdammt!«

Nick drehte sich erschrocken um und entdeckte Captain Harrison, der mit einem lauten Knall die Tür des Konferenzzimmers ins Schloss warf. 

»Der ist mehr so ein Noir.« Sie betonte Noir lasziv. »So ein Weichspüler«, erklärte sie weiter, ohne auf Harrison zu achten, der mit hochrotem Kopf näherkam.

»Bitch, halt deine Schnauze.« Harrison schob sich an ihm vorbei und baute sich drohend vor dem Stuhl der Frau auf, an dem, wie an allen anderen auch, ein kleiner Klapptisch befestigt war. Doch sie schien diese Geste nicht zu beeindrucken. Mit vor der Brust verschränkten Armen lehnte sie sich zurück und hielt dem Blick ihres Vorgesetzten stand. 

»Halt die Klappe, wenn du nicht gefragt wirst«, raunte Harrison ein weiteres Mal und richtete dann seine Aufmerksamkeit auf ihn. »Hinsetzen, zuhören.« Die Art, wie Harrison mit ihm sprach, war ebenso unfreundlich, wie er zuvor mit der Frau gesprochen hatte. Nick setzte sich auf einen freien Stuhl in der letzten Reihe, während Harrison sich auf den Weg nach vorne machte, wo er Thomsen nur knapp zunickte.

»Komm runter, Sean.« Nun mischte sich ein anderer Mann ein, indem er Captain Harrison beim Vornamen nannte. Nick bildete sich ein, er könnte die Spannung fühlen, die in der Luft lag. Nur, warum waren alle derart angespannt? Auch in der folgenden Viertelstunde änderte sich nichts daran. Nick wurde jedoch klar, dass die angespannte Stimmung nicht von den Teammitgliedern ausging, sondern von Sean Harrison, der die Laune aller mit Gewalt am Boden hielt. Der Trainingsplan der kommenden Woche wurde erläutert. Nick musste verwundert feststellen, dass er der Einzige war, der zwischen zwei Gruppen hin und her gereicht wurde und wohl die gesamte Woche auf dem Parcours und im Pool verbringen würde, während die anderen auch Zeit auf dem Schießplatz und im Killhouse verbrachten. Er wagte es aber nicht, nach dem Grund zu fragen. 

»Sean?« Ein braungebrannter Mann mit braunen Haaren und Dreitagebart forderte die Aufmerksamkeit ihres Captains.

»Was?« Harrison sog genervt die Luft ein und richtete den Blick auf den Soldaten. 

»Ich bin heute früher weg. Stevie kommt heute an.« 

Nick konnte sehen, wie Harrison etwas erwidern wollte aber von Thomsen, der ihm die Hand auf die Schulter legte, daran gehindert wurde. 

»Geht klar, das ist aber eine Ausnahme. Haben wir uns verstanden?« Thomsen übernahm das Antworten für Harrison, von dem Nick sich sicher war, dass seine Antwort anders ausgefallen wäre. 

3.

Es war wie ein Déjà-vu. Stevie stand völlig übermüdet am Flughafen von San Diego. Schmunzelnd entdeckte sie die Bank, auf der sie bei ihrem ersten Besuch hier gesessen und keinen Plan gehabt hatte, wo sie die Nacht verbringen sollte. Damals hatte sie begonnen, an ihrem Entschluss, nach San Diego zu fliegen, zu zweifeln. Sie hatte sich über ihren eigenen Dickkopf geärgert, weil sie eigentlich nur in den Flieger gestiegen war, um ihrer Freundin Jodie zu zeigen, dass sie für den Mann, der ihr in ihren Träumen erschien, um die halbe Welt reisen würde.

Hier und heute war sie sich ihrer Sache sicher wie nie. Sechs Wochen wollte sie hier verbringen. Sechs Wochen an der Seite des Mannes, der nun so viel mehr geworden war als nur der Grund für jahrelange Träume. Auch jetzt tauchte er noch in ihren Träumen auf. Jedoch nicht, um sie zu retten, sondern um neben ihr im Bett zu liegen und sie mit süßen Küssen zu verwöhnen. In ihren Träumen konnte sie spüren, wie er sie in den Armen hielt und wie seine Hände ihren Körper erkundeten und so ihre Albträume vertrieben. Es war an der Zeit, dass diese Träume wieder Realität wurden und dass sie sich Gedanken um eine gemeinsame Zukunft machten. 

Darrel hatte bereits angedeutet, dass er San Diego nicht verlassen wollte, auch wenn seine Familie in Australien lebte. Er würde nicht mehr zurückgehen. Hier in San Diego hatte er Menschen gefunden, die er nicht wieder verlassen wollte. Außerdem hielt seine Arbeit ihn hier. Eine Arbeit, die er liebte und in der er aufging. Ihre hingegen hielt sie nicht in Perth. Auch wenn seine Aussage, dass er nicht nach Perth ziehen würde, ihr im ersten Moment einen Stich versetzt hatte, da sie genau das gehofft hatte, hatte sie sich damit abgefunden. Sie war sich sicher, dass sie auch hier einen Job finden würde, selbst wenn es wieder der in einem Callcenter war. Darrel hatte ihr seine Entscheidung, San Diego nicht zu verlassen, ausführlich begründet. Ihr war das erste Mal, seit sie in Perth lebte, klar geworden, dass sie sich dort nicht zuhause fühlte. Perth war einfach nur Sinn und Zweck, damit sie ein Dach über dem Kopf hatte und einen Job, der ihr das Dach finanzierte. Er hatte davon gesprochen, dass es sich für ihn in San Diego anfühlte, als würde man nach einer langen Reise heimkommen. Würde sie dieses Gefühl auch irgendwann haben? Würde sie irgendwann hier ankommen und sich zuhause fühlen? Daheim war sie im Outback, aber dort gab es für sie keine Zukunft. Sie war keine Farmerin und wollte auch keine werden. Selbst wenn sie mit Schafen, Rindern und Pferden aufgewachsen war und die harte Arbeit auf einer Farm kannte. Es war nicht das, was sie sich vorstellte, was ihr Leben ausfüllen konnte. Keine Freizeit, kein Urlaub, immer in Angst um die Existenz, wenn die Ernten schlecht, oder die Tiere krank waren. Das war nicht das, was sie wollte und doch bewunderte sie die, die diesen Weg gingen. 

»Entschuldigen Sie.« Ein Mann, der sie kurz mit seinem großen Koffer berührt hatte, entschuldigte sich hastig und eilte weiter, ehe sie etwas erwidern konnte. Ihr Blick wanderte erneut auf die Bank. Sie erinnerte sich an das erste Treffen mit Darrel und ihre Angst beim ersten Telefonat. Daran, dass sie kein Wort herausgebracht und er einfach aufgelegt hatte. Erst beim zweiten Versuch war es ihr gelungen, einen Satz zu formulieren, aber wohl auch nur, weil sie zu dem Zeitpunkt verzweifelt hier gestanden und nicht gewusst hatte, wo sie hin sollte. Wann genau das Eis zwischen ihnen gebrochen war, konnte sie nicht mehr benennen. Nur dass ihre Gefühle irgendwie immer da gewesen waren, wenn auch viele Jahre nur in ihren Träumen. Darrel hingegen hatte eine Weile gebraucht, um seine Gefühle zu entdecken, da seine Vergangenheit ihn in Beschlag genommen hatte. 

»Hey, willst du hier schlafen?« 

Bei den Worten wirbelte sie herum. Darrel stand wenige Meter von ihr entfernt und lächelte sie an. Ihr Herz begann, freudig schneller zu schlagen, als sie, ihre Reisetasche am Boden stehen lassend, auf ihn zustürmte und ihm, mit Freudentränen in den Augen, in die Arme fiel. Auf diesen Moment hatte sie Monate gewartet. Sie hatten immer nur telefonieren können und ihr war nur ein Bild von ihm geblieben, das sie anschauen konnte. Nun konnte sie ihn endlich wieder spüren. Sie taumelten gemeinsam einige Schritte zurück. 

»Ich hab dich so vermisst.« Ihre Stimme war heiser. Sie wollte so viel sagen, aber ihr Herz übernahm die Führung. Sie legte ihre Lippen auf seine und genoss seinen Geschmack, als seine Zunge nur Sekunden später mit ihrer tanzte. Seine Arme schlang er schützend um sie, während er ihren Kuss gierig erwiderte. Das, was um sie herum geschah, verschwamm zu einem undeutlichen Bild. Da war nur noch Darrel, dessen heißer Atem über ihr Gesicht strich. Verzweifelt krallte sie sich an seinem Rücken fest. So lange hatte sie auf diesen Moment gewartet und nun hatte sie Angst, dass er einfach enden würde. Sie befürchtete, dass die Wochen, die vor ihr lagen, wie ein Wimpernschlag einfach viel zu schnell enden würden. Dass sie nicht genug Gelegenheit haben würde, um Zeit mit ihm zu verbringen und all das, was sie sich wünschte, nicht in Erfüllung gehen würde. Langsam ging ihr der Atem aus. Sie löste sich von ihm und konnte endlich in seine graublauen Augen schauen, in denen sie ein freudiges Funkeln sehen konnte. Sie bemerkte auch den feinen Sand auf seiner Haut und in seinen kurzen braunen Haaren. 

»Du hast mir gefehlt.« Mit einem Daumen strich er hauchzart, als könne er sie mit seiner Berührung verletzen, über ihre Wange. Vorsichtig schmiegte sie ihr Gesicht in seine raue Handfläche. Ein angenehmer Schauer lief über ihren Rücken. 

»Ich glaube, ich bin angekommen«, brachte sie heiser hervor und versuchte, das Gefühl zu deuten, das sich in ihr ausbreitete. 

»Willkommen zu Hause. Wir haben keine giftigen Spinnen oder Schlangen, aber gutes Wetter haben wir auch oft.« Sein Gesicht kam näher und erneut berührten seine Lippen die ihren. Dieses Mal war es nur ein zaghafter, sanfter Kuss, aber er löste dieses Kribbeln aus, welches sie an ihren ersten Kuss vor Monaten erinnerte. Und es war nicht nur das. Sie war sich in diesem kurzen Moment sicher, dass sie mit Darrel überall hingehen würde. Mit ihm an ihrer Seite würde sie sich überall wie daheim fühlen. 

Eine halbe Stunde später stand sie dicht hinter ihm an seiner Wohnungstür. Als er den Schlüssel in das Schloss schob, sah er sich zu ihr um.

»Du bekommst auch einen. Damit du nie wieder vor der Tür sitzen und auf mich warten musst.« Mit seiner freien Hand griff er nach ihrer und ihr wurde klar, wie kalt ihre Hand war. Sie war aufgeregt. Das hier würde der Beginn eines neuen Abschnittes in ihrem Leben sein. Sein kräftiger Griff war warm und sie ließ sich von ihm ins Haus ziehen. Hier würde sie die kommenden Wochen an seiner Seite verbringen. 

»Wir sind da.« Sein Rufen hallte durch den Flur.

»Perfekt, das Essen ist gleich fertig.« Eine dunkelblonde Frau kam breit lächelnd aus der Küche auf sie zu.

»Das Bier ist auch kalt.« 

Zu wem die zweite Stimme gehörte, wusste Stevie. Auch wenn sie Harry nicht sah, konnte sie sich an seine Stimme erinnern. 

»Ich freu mich, dich endlich kennenzulernen.« Die Frau, die etwas kleiner war als Stevie, reichte ihr förmlich die Hand. »Trisha«, fügte sie mit einem breiten Lächeln hinzu. Das war also Trisha, die Frau, von deren Suche niemand Harry hatte abbringen können. Die Frau, die der eigentliche Grund dafür gewesen war, dass sie bei ihrem ersten Besuch hier Stunden vor der Tür gesessen hatte, als Harry einfach aufgebrochen war, um Trisha zu finden. Die Beziehungen hier schienen oft mit einer intensiven Suche verbunden zu sein.

»Hi. Stevie.« Sie ergriff die ihr dargebotene Hand, und stellte sich der Soldatin vor. »Du bist also der Grund, warum Harry kurzfristig den Verstand verloren hat.« Kurz biss sie sich auf die Unterlippe. Diesen Satz hätte sie vielleicht nicht sagen sollen, oder? Gespannt wartete sie auf eine Reaktion von Trisha, Harry oder auch Darrel. Vielleicht würde er gleich mit dem Kopf schütteln und ihr so sagen, dass diese Formulierung alles andere als gut gewesen war. Aber nichts dergleichen geschah, abgesehen davon, dass Trisha einen kurzen Blick Richtung Wohnzimmer warf. 

»Na ja, ich glaube, er wusste einfach nicht, wie das mit uns modernen Frauen ist. Wir brauchen keine Ritter mehr, die uns auf einem weißen Ross retten …« 

»Wir retten uns einfach selbst«, frech beendete sie den Satz von Trisha, die kurz auflachte. Harrys Freundin war ihr bereits nach den wenigen Minuten, die sie nun zusammen im Flur standen, sympathisch. Darrel legte seine Arme, hinter Stevie stehend, um sie. 

»Hin und wieder möchtet ihr aber auch gerettet werden.« Seine Worte strichen zwar warm an ihrem Hals entlang, lösten aber einen kalten, unangenehmen Schauer bei ihr aus. Ja, sie hatte diese Rettung benötigt, weil sie nicht in der Lage gewesen war, sich selbst zu helfen. 

»Das ist alles Berechnung. Wir wollen nur nicht, dass ihr euch nutzlos fühlt«, erwiderte Trisha mit einem kecken Zwinkern. »Du solltest deinem Besuch helfen, sich einzurichten.« Trisha deutete mit dem Kopf auf die Tür, hinter der sich Darrels Schlafzimmer befand und richtete dann unübersehbar ihren Blick mit einem zusätzlichen Nicken auf Stevies Reisetasche, die am Boden neben der Küchentür stand.

»Ach, und Koffer tragen dürfen wir auch«, feixte Darrel weiter. Stevie genoss die entspannte Stimmung im Haus. Es war anders als bei ihrem ersten Besuch hier. Damals hatte eine permanente Anspannung geherrscht, weil sich alle Sorgen um Harry gemacht hatten. Darrel löste seine Umarmung und griff nach ihrer Tasche. Als er sich auf den Weg ins Schlafzimmer machte, warf Stevie einen Blick ins Wohnzimmer, wo sie Harry mit einem Controller in der Hand auf dem Sofa entdeckte. Er stieß gerade einen leisen Fluch aus und beugte sich vor. Er schien voll und ganz auf das PC Spiel konzentriert zu sein, welches über den Bildschirm flimmerte. 

»Hi Harry.« Stevie war sich nicht sicher, ob ihre Worte den Mann mit dem verbissenen Ausdruck im Gesicht überhaupt erreichten.

»Hi Stevie, schön dass du da bist.« Er antwortete ihr zwar, sah sie aber nicht an. Mit einem Schulterzucken drehte sie sich wieder in den Flur, wo sie Darrel folgte, der bereits ins Schlafzimmer verschwand. Als sie den Raum betrat, in dem Darrels großes Doppelbett stand, auf dem eine bunte Patchworkdecke lag, drehte Darrel sich langsam zu ihr um. Ihre Tasche stand wie er seitlich neben dem Bett und sein fragender Blick ruhte auf ihr. 

»Auspacken, oder …?« Darrel deutete mit dem Kopf auf das Bett. »Morgen werden wir lange weg sein. Heute durften wir nur früher weg, weil du angekommen bist«, erklärte er, griff nach ihrer Hand und zog sie zum Bett. Er hatte sich die Frage, was sie nun machen würden, scheinbar schon beantwortet. 

»Wegen mir?« Sie war von seiner Aussage so irritiert, dass sie sich einfach nicht auf das lüsterne Funkeln in seinen Augen einlassen konnte. Sie wollte wissen, ob sie wirklich der Grund dafür war, dass Darrel früher heimgekonnt hatte. 

»Ja, aber morgen werden wir als Ausgleich länger und härter trainieren.« Er rollte mit den Augen und die Freude, die eben noch in ihr geherrscht hatte, verflog. Das war nicht ihre Absicht gewesen. Wegen ihr sollte morgen niemand länger oder härter arbeiten oder trainieren müssen. 

»Ich hätte doch auch mit dem Taxi fahren können«, erklärte sie. Dann hätte sie sich einfach draußen auf die Stufen gesetzt und gewartet. Das wäre ein Leichtes gewesen. Seine Adresse kannte sie ja. Sie wollte nicht, dass all seine Kollegen morgen darunter leiden mussten, dass Darrel sie vom Flughafen abgeholt hatte. Wahrscheinlich mochte sie bereits jetzt niemand mehr. Stevie zumindest konnte Menschen nicht leiden, wegen denen sie länger arbeiten musste. Selbst dann nicht, wenn es verzweifelte Rentner waren, die die Hotline kurz vor Feierabend anriefen, für die sie arbeitete. Dabei hatte sie sich wirklich darauf gefreut seine Kollegen kennenzulernen. 

»Klar, dann hättest du wieder Stunden draußen auf dem Tritt gesessen und gewartet. Nein, für dich leide ich morgen gerne.« 

Stevie wollte etwas erwidern, doch Darrel war schneller. Er sank auf das Bett und zog sie mit sich. Ohne ihr die Möglichkeit zu lassen, seiner plötzlichen Umarmung zu entkommen, fand sie sich Sekunden später neben ihm liegend wieder. Darrel übernahm die Führung. Seine Küsse legten sich heiß und nach mehr verlangend auf ihre Lippen. Seine Hände wanderten unter ihr Top, wo sie einen Schauer nach dem anderen bei ihr auslösten, als er ihren BH nicht öffnete, sondern einfach nach oben schob. 

»Warten ist nicht meine Stärke«, knurrte er ihr ent-schuldigend ins Ohr.